Memento - Die Feuerblume: Band 2 (German Edition)
wenn ihr am Ende angelangt seid, ist die Box keine Box mehr, sondern ein Schlüssel. Vergesst das nicht. Die Box ist ein Schlüssel, und ihr dürft nicht zu spät kommen.«
Wieder verschwindet Walrond aus dem Blickfeld der Kamera. Ist da ein Fenster in der Nähe? Sieht er nach, ob ihm jemand gefolgt ist? Als er zurückkehrt, sagt er: »Ich spüre, dass sie näherkommen. Uns läuft die Zeit davon. Wenn ihr das hier hört, heißt das, dass alle unsere Pläne gescheitert sind.« Er stößt ein halbes Lachen aus – oder eher ein Schluchzen? Seine Brust hebt und senkt sich. Nach ein paar Sekunden fährt er fort. »Letzten Endes ist Willux doch ein Romantiker, oder? Er will, dass seine glorreiche Geschichte fortbesteht. Ich hoffe, einer von euch hört das hier und setzt seiner Geschichte ein Ende . Das müsst ihr mir versprechen.« Er starrt an die Decke. Das Bild flimmert und stabilisiert sich wieder. »Nicht dass ich das von euch verlangen könnte. Vor allem nicht von euch, Silva und Otten. Ich hätte euer Versprechen gar nicht verdient. Ich habe so viele Versprechen gebrochen. Ihr beide, ihr seid besser als ich. Ihr wart es schon immer. Und Bradwell ist das Beste von euch beiden in einem.« Er blickt direkt in die Kamera – auf Bradwell. »Das heißt … was, wenn er als Einziger von uns überlebt? Vielleicht sollte ich sicherheitshalber noch eine weitere Funktion hinzufügen. Alle eure Kinder«, flüstert er. »Gott, ich hoffe, dass sie uns alle überleben. Dass sie überleben, was auf uns zukommt. Dass sie noch eine Welt haben, in der man überleben kann.«
Das Licht erlischt. Die kleine Linse, die das Hologramm projiziert hat, fährt mit einem Klicken ein.
Es wird still.
»Alles in Ordnung mit dir?«, fragt Pressia. Sie kann sich kaum vorstellen, wie Bradwell sich jetzt fühlen muss.
»Ja, klar. Sicher«, murmelt er, die Augen weiter auf Fignan gerichtet. »Wir haben die Formel gefunden. Sie ist irgendwo dadrin. Die Formel. Ist doch super.« Er atmet tief durch. »Gehen wir.« Damit läuft er so schnell los, dass Pressia kaum Schritt halten kann. Fignan surrt nebenher.
»Warte«, sagt sie. »Was hast du denn von Walrond erwartet? Das mit der Formel sind doch gute Nachrichten. Wenn wir die Formel wirklich finden, brauchen wir nur noch eine weitere Zutat, um Wilda zu retten und …«
»Ja, für dich sind das wohl gute Nachrichten.«
»Was soll das heißen?«
»Das Kapitol hat einen Weg gefunden, Menschen zu reinigen, aber die Behandlung führt zur Schnellen Zelldegeneration. Doch jetzt besteht die Hoffnung, eine winzige Hoffnung, dass wir die Ampullen deiner Mutter und die zweite Zutat nach der richtigen Formel kombinieren können – sodass das Kapitol die Leute reinigen und die Nebenwirkungen mit Medikamenten unterdrücken könnte. Und schon wäre alles perfekt, was?«
»Du kennst doch Willux’ Plan: Er will mit den anderen aus dem Kapitol zurückkehren, wenn die Erde in seinen Augen wieder sauber genug ist. Dann soll es zwei eindeutige Klassen geben – die Reinen und die Unglückseligen, die ihnen dienen müssen. Mit der Formel können wir den Plan scheitern lassen.«
»Oder sie kommen raus und sehen uns ins Gesicht, ohne die Augen davor zu verschließen, was sie uns angetan haben. Und akzeptieren uns, wie wir sind.«
»Aber es ist doch interessant, dass es ein Heilmittel geben könnte. Das musst du doch einsehen.«
»Du meinst, es ist verlockend .«
»Sag mir nicht, was ich meine!«
»Aber ich weiß doch, was du willst, Pressia. Du willst deine Hand zurück. Du willst die Brandnarben ausradieren. Du willst wie die anderen sein.«
»Und was ist so schlimm daran? Ganz im Ernst? Seit wann ist es ein Verbrechen, wenn man nicht entstellt und verbrannt sein will?«
»Aber was würde es ändern? Was?«
Pressia ist sich nicht sicher – aber würde dadurch nicht ein Teil ihres alten Selbst auferstehen? »Da ist immer noch diese Erinnerung an das Mädchen, das ich mal war. Ich will, dass es wieder existiert. Ich will ganz ich selbst sein.«
»Aber du bist ganz«, erwidert Bradwell. »Und das bin ich – mit meinen Narben und den Vögeln im Rücken. Ich bin auch ganz. Ich akzeptiere mich. Du siehst überall Schönheit, im Schutt und in den Trümmern, aber wann siehst du endlich die Schönheit in dir selbst?« Er hebt die Hand und fährt die halbmondförmige Narbe um ihr Auge nach. »In diesem Selbst?«
Um ein Haar wäre Pressia zurückgewichen. Doch weil er sie so ansieht – so
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