Memento - Die Feuerblume: Band 2 (German Edition)
angehaltenen Zeit, dass sie nicht vergeht. Sie existiert neben der Zeit, wie wir sie kennen. Deshalb kann man sie nicht vergeuden.«
»Klingt logisch.«
Mit einem Lächeln geht sie zur Tür.
Partridge erinnert sich, wie Pressia ihm erzählt hat, dass sie auf der Farm vergiftet wurde. »Das Essen macht mich doch nicht krank, oder?«
»Bist du wahnsinnig?«
»Weiß nicht. Bist du wahnsinnig?«
»Sei nicht so unhöflich.«
»Weißt du, was unhöflich ist? Jemandem ein elektrisches Halsband anzulegen, für den man angeblich haufenweise Muttergefühle empfindet. Wie weit kann ich mich entfernen, bis ich von dem Ding gegrillt werde?«
»An deiner Stelle würde ich lieber in der Nähe bleiben. Zu deinem eigenen Schutz.«
»Na, dann muss ich mich ja bedanken! Vielen, vielen Dank!«
»Ich hoffe, das Frühstück schmeckt dir, Partridge. Du solltest wirklich ein bisschen dankbar sein – für die vielen kleinen, handgemachten Details.« Es klingt nach einer Warnung. Mimi zwinkert ihm zu, nickt und geht. Die Tür lässt sie einen Spaltbreit offen, damit Partridge hört, wie ihre Tochter Iralene unten die Sonate klimpert.
Partridge fällt zurück aufs Bett. Seine Arme und Beine sind bleischwer. Als er die Augen schließt, stiehlt sich die Musik in seine Gedanken. Er weiß nicht, ob da tatsächlich jemand spielt oder ob es nur eine Aufnahme ist. Existiert Iralene wirklich? Ist da unten überhaupt ein Klavier?
EL CAPITÁN
Stiche
Die meisten Operationen sind deutlich komplizierter als das, was Helmud mit dem Taschenmesser angestellt hat. El Capitán hatte Glück, dass die Spinne sich im fleischigen Teil seiner Wade verbissen und nicht tief genug eingegraben hatte, um den Knochen zu zersplittern. Aber vor allem kann er froh sein, dass er nur eine Spinne abbekommen hat – der aktuelle Rekord liegt bei dreizehn Spinnen auf einem einzigen Menschen. Bald ist ein Monat rum, und noch immer warten Hunderte auf ihre Behandlung.
Sie haben Fignans Betäubungspatronen studiert und rekonstruiert. Zusammen mit dem Wissen, das El Capitán in den letzten Jahren über verschiedene Pflanzen im Wald gesammelt hat – früher hat er sie an jungen Rekruten getestet –, haben sie damit Mittel entwickelt, mit denen man die Patienten während der Operation betäuben kann. Zumindest mehr oder weniger.
Helmud jagt den Patienten das Zeug in die Blutbahn und assistiert seinem Bruder. El Capitán bittet um Alkohol, Tupfer, Pinzette, Skalpell, Nadel und den dünnen, sauberen Draht, mit dem er die klaffenden Wunden flickt, und Helmud lässt ihn nie warten. Zum ersten Mal in ihrem gemeinsamen Leben arbeiten sie zusammen wie ein vierarmiger Mensch. Ein anderer Soldat reinigt die Instrumente mit Alkohol und steht bereit, falls doch mal einer aufwacht. Dann pressen sie den Patienten zu dritt auf die Liege und verpassen ihm eine weitere Dosis.
Helmud ist ganz fasziniert von den Operationen. Auch jetzt beugt er sich so weit vor, dass es El Capitán nervt. »Hör auf, mir ins Ohr zu atmen!«
»Hör auf«, sagt Helmud. »Zu atmen.«
Rostiger Blutgestank steigt El Capitán in die Nase. Ihm wird übel. Schnell erledigt er die letzten Handgriffe. »Ich muss nachsehen, ob noch mehr Kinder vermisst werden«, erklärt er dem Soldaten. Seit Wilda sind zwölf weitere Kinder verschwunden und zurückgekehrt, und gerüchteweise wurde heute früh in einer verlassenen Baracke am Rand der Trümmerfelder ein weiteres gefunden.
Als sie aus dem Zelt treten, bibbert Helmud in der kalten Brise. El Capitán schwingt das Gewehr vor die Brust und marschiert zum Markt, wo das übliche Treiben herrscht: kleinere Rangeleien, ein paar Händler preisen ihre Waren lautstark an, ihr Fleisch, ihre seltsamen Gewächse – kann man das Zeug wirklich essen? Vielleicht, vielleicht auch nicht. Er passiert eine Reihe brennender Ölfasser mit zusammengedrängten Menschen, die sich gemeinsam die Hände wärmen. Alle beäugen ihn verstohlen, manche neigen den Kopf.
Die Spezialkräfte lassen die Stadt in Frieden. Vielleicht haben sie hier nichts mehr zu tun, seit Partridge im Kapitol ist. Doch im Wald hat El Capitán ein paar gesehen, und er hofft jedes Mal, dass er Hastings noch mal über den Weg läuft. Partridge hat gesagt, dass man ihm vertrauen kann. El Capitán hat sogar darüber nachgedacht, ihm eine Falle zu stellen. Aber was für eine Falle soll das sein? Für Hastings wäre selbst eine Bärenfalle eine Kleinigkeit.
Er entdeckt einen kleinen Jungen, der Zettel verteilt. Ist
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