Memento - Die Überlebenden (German Edition)
Eingeständnis akzeptieren. »Wie dem auch sei, viele Historiker glaubten genau wie mein Vater nicht, dass die Atombomben der einzige Grund für die japanische Kapitulation waren. Bis zu diesem Augenblick zeigten die Japaner keinerlei Furcht vor Verlusten. Meine Eltern fragten sich, ob es nicht die Angst des Kaisers vor diesen Absonderlichkeiten war, die die Bomben erschaffen hatten. Die Japaner waren ein sehr gleichartiges Volk. Eine Inselkultur. Möglich, dass es zu viel war für den Kaiser – nicht die Angst, dass sie vernichtet würden, sondern verformt, entstellt, mutiert. Er zwang die Generäle zur Kapitulation, und die vielen Menschen, die durch die Bombe verschmolzen waren, wurden weggesperrt und studiert. Wegen der Zensur durch den amerikanischen Machthaber MacArthur über die Auswirkungen der Bomben, der Unterdrückung von Augenzeugenberichten und mündlichen Erzählungen und selbst wissenschaftlicher Beobachtungen – was alles in allem praktisch einem Maulkorberlass für die Japaner gleichkam – plus ihre eigene Scham … gelang es, das wahre Ausmaß des Entsetzens zu verschleiern und die Mutationen geheim zu halten.«
Sie haben einen Gitterabschnitt erreicht, der noch steht. Bradwell klettert zuerst rauf. Partridge folgt ihm. Beide springen zu Boden. Vor ihnen erstrecken sich weitere ausgebrannte Ruinen und geschmolzene Plastikhügel.
»Was ist mit den Vereinigten Staaten?«, fragt Partridge.
»Willst du das wirklich wissen? Mir wurde gesagt, ich wäre zu pedantisch.«
»Ich will es wissen.«
»Die Vereinigten Staaten wussten um die unbeabsichtigten, zufälligen Nebenwirkungen der Bombe und entwickelten im Geheimen neue Techniken – das waren die Steckenpferde deines Vaters. Irgendwann wollten sie Gebäude bauen können, durch die keine Radioaktivität dringen kann und die Auswirkungen der Strahlung kontrollierbar machen. Statt unbeabsichtigter und zufälliger Verschmelzungen wollte die US-Regierung geplante Verschmelzungen, um eine Superspezies zu erschaffen.«
»Die Codierungen. Ich habe ein paar mitgemacht. Sie haben bei mir nicht gut angeschlagen.« Partridge ist stolz auf diese Feststellung, auch wenn es nicht so ist, als hätte er sich jemandem widersetzt. Es ist lediglich eine Tatsache, mehr nicht.
»Ehrlich?«
»Sedge war ideal. Ich nicht«, sagt Partridge. »Aber wie sind deine Eltern an die ganzen Infos gekommen?«
»Einer der Genetiker, Arthur Walrond, war ein Freund meiner Mutter, Silva Bernt. Walrond führte ein abgedrehtes Single-Leben, fuhr Cabrio, hatte ein loses Mundwerk und ein schlechtes Gewissen. An einem Wochenende kam er bei meinen Eltern zu Besuch, betrank sich und erzählte ihnen einige Geheimnisse der Neuen Wissenschaften. Es passte – war ja klar – bestens zu den Theorien, die meine Eltern entwickelt hatten. Von da an lieferte er ihnen Informationen.« Bradwell hält inne und blickt suchend über die Schuttfelder der ausgebrannten Siedlung. Er reibt sich den Nacken. Er sieht müde aus.
»Was ist los?«, fragt Partridge.
»Nichts. Mir fällt nur gerade ein, wie er meine Eltern überredet hat, mir einen Hund zu schenken. ›Bradwell ist ein Einzelkind, und ihr seid beide Workaholics! Kauft dem Kleinen endlich einen Köter!‹ Walrond war ein kleiner, dicklicher, o-beiniger Schnellredner mit einem schicken Auto, ein Playboy, so seltsam das klingt. Er war für dieses Leben einfach nicht gemacht. Er wusste genau, was sie mit seinen Forschungen anstellen konnten. Die Regierung nannte es ›Unbegrenztes Potenzial‹, aber er fügte immer noch ›für Vernichtung‹ hinzu.
Er war nachlässig. Als die Regierung dahinterkam, dass er Geheimnisse ausplauderte, stellten sie ihn zur Rede und gaben ihm genug Zeit, um Selbstmord zu begehen, bevor sie ihn verhafteten. Er gehorchte. Eine Überdosis.« Bradwell seufzt. »Ich nannte meinen Hund Art, nach Arthur Walrond. Ich musste ihn weggeben, nachdem meine Eltern gestorben waren. Meine Tante war allergisch gegen Hunde. Ich habe dieses dumme Tier geliebt.«
Bradwell hält inne und sieht Partridge an. »Dein Vater hat meine Eltern getötet. Wahrscheinlich gab er sogar den Befehl dazu. Sie wurden im Schlaf erschossen, noch bevor die Bomben fielen, aus nächster Nähe, mit Schalldämpfern. Ich schlief in meinem Bett. Ich wurde morgens wach und fand sie.«
»Bradwell …«, sagt Partridge. Er streckt die Hand nach ihm aus, doch Bradwell weicht zurück.
»Weißt du, was ich manchmal denke, Partridge?« Nicht weit entfernt
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