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Memento - Die Überlebenden (German Edition)

Memento - Die Überlebenden (German Edition)

Titel: Memento - Die Überlebenden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julianna Baggott
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lange allein gelassen, wenn er bei einem Freund war. Außerdem war da die ständige Angst vor Viren, irgendwas Ansteckendem. Die Umwelt war verseucht. Die Wasserversorgung war dubios, das Trinkwasser oft verunreinigt, die Nahrungsmittel nicht mehr einwandfrei. Es gab Rückrufaktionen. Auch ohne die Bombenangriffe, das hatte Partridge in der Akademie gelernt, hätten sie das Kapitol gebraucht. Es hatte sich als weise Voraussicht erwiesen. Die Explosionen – war es möglich, dass sein Vater von Anfang an Bescheid gewusst hatte? Er hatte selten über die Bomben gesprochen, doch wenn er es tat, dann hatte er sie immer fast als Naturkatastrophe dargestellt. Mehr als einmal hatte Partridge ihn sagen hören, sie wären »ein Akt Gottes« gewesen. »Und Gott war uns gnädig. Danke, Vater, denn wir sind gesegnet.«
    Partridge erinnert sich, dass er und seine Mutter mal einen seiner Freunde besuchten und die Mutter dieses Freundes verschwunden war. Er fragt sich, ob die Überreste dieses Hauses noch irgendwo in dieser ausgedehnten kahlen Trümmerlandschaft zu finden sind. »Mrs Fareling«, sagt er zu sich selbst, als ihm der Name wieder einfällt.
    »Was?«, fragt Bradwell.
    »Mrs Fareling war eine Freundin meiner Mutter. Wir haben manchmal eine Fahrgemeinschaft gebildet. Meine Mutter mochte sie. Sie hatte einen Sohn in meinem Alter, Tyndal. Wir waren zum Spielen bei ihnen zu Hause verabredet, in einer bewachten Wohnanlage, und sie war verschwunden. Eine fremde Frau machte uns auf. ›Sozialarbeiterin‹, sagte sie. Sie war übergangsweise da, während Mr Fareling nach einem Ersatz für die Frau in seinem Heim suchte.«
    »Was hat deine Mutter gesagt?«, fragt Bradwell.
    »Sie wollte wissen, was passiert wäre, und die Frau meinte, dass Mrs Fareling erst nicht mehr zu den FF-Treffen gegangen sei und dann auch nicht mehr zu den Kirchenversammlungen.«
    »Feminine Feministinnen«, sagt Bradwell.
    »War deine Mutter dadrin?«
    »Natürlich nicht! Sie hat keinen altmodischen Idealen nachgeeifert. Sie hielt das für Schwachsinn, genauso wie zu sagen: Sind wir nicht großartig, so wie wir sind? Hübsch, fraulich, nicht bedrohlich. Volksverdummung.«
    »Meine Mutter hatte ebenfalls nichts für diese Bewegung übrig. Sie hat sich mit meinem Dad darüber gestritten.« Die Mütter von Partridges Freunden waren allesamt Mitglieder der Bewegung gewesen. Sie trugen alle immer Lippenstift – das sah gut aus, auch wenn er manchmal an ihren Zähnen klebte.
    »Was wurde aus Mrs Fareling?«, fragt Bradwell.
    »Keine Ahnung.« Die fremde Frau hatte gesagt, dass die Therapie nicht immer dauerhaft wäre. Sie hatte Seelsorge angeboten. Manchmal können wir helfen, wenn jemand einen plötzlichen Verlust erlitten hat. Seine Mutter hatte abgelehnt. Partridge meint fast noch ihren festen Griff um seinen Oberarm zu spüren, als sie ihn zum Wagen gebracht hatte, als wäre er derjenige gewesen, der etwas falsch gemacht hatte. »Auf dem Nachhauseweg erzählte sie mir, dass die Regierung ihre Gefängnisse, Sanatorien und Therapiezentren aus einem bestimmten Grund so groß gebaut hatte. Damit jeder wusste, dass es nur die Wahl gab, unter ihrem Dach zu leben oder in ihrem Schatten.«
    Die Dämmerung hat eingesetzt, und die Schatten werden tiefer. Überall könnten Bestien lauern. Sie umrunden eine Reihe geschmolzener Klettergerüste und steigen über ein Band aus umgefallenem Maschendrahtzaun.
    »Deine Eltern«, sagt Partridge zu Bradwell. »Wie haben sie das alles rausgefunden, wenn sie doch Nein gesagt hatten zu den Besten und Klügsten in den Red-Lobster-Restaurants? Sie waren außen vor.«
    »Glück«, sagt Bradwell. »Rückblickend bin ich allerdings nicht sicher, ob es nicht eigentlich Pech war. Mein Dad bekam ein Stipendium; er sollte bestimmte Rituale in einem abgelegenen japanischen Fischerdorf untersuchen, und eine Familie gab ihm eine Videoaufzeichnung von einer Frau, die Hiroshima überlebt, aber Verformungen erlitten hatte. Ihr Arm war mit einer Taschenuhr verschmolzen. Sie lebte im Verborgenen, weil es auch andere wie sie gegeben hatte – Menschen, die auf seltsame Weise mit Tieren, dem Land oder miteinander verschmolzen waren –, die von der Regierung abgeholt und nie mehr gesehen wurden.«
    »Im Kapitol haben sie uns lieber was über die alten Kulturen beigebracht. Höhlenzeichnungen, Tonscherben, hin und wieder Mumien und so was. Ist einfacher, schätze ich.«
    »Ja, vermutlich.« Bradwell sieht Partridge an, als würde er das

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