Memento - Die Überlebenden (German Edition)
Wiesen der Vorgärten herumtollten. Doch dieser Zaun besteht aus in den Boden gerammten Pfosten, und auf jedem Pfosten steckt etwas. Er kann im ersten Moment nicht erkennen, was das für seltsame Gebilde sind, doch dann entdeckt er einen verbrannten Brustkorb – einen Satz weit auseinanderstehender Rippen, manche fehlen, andere gebrochen. Zwei Pfosten weiter ein breiter Schädel. Mensch. Ein Teil des Schädels fehlt. Vor dem Eingang des Hauses stehen zwei weitere Schädel, von innen erleuchtet mit Kerzen wie Kürbislaternen. Halloween . Partridge erinnert sich an ein Kostüm, in dem er ausgesehen hat wie ein Roboter. Die Meltlands waren einst berühmt für ihre Feiertage, Geister in den Bäumen und Weihnachtsmänner auf den Dächern. Er sieht, was ein Garten zu sein scheint, umgegrabener Dreck mit Pfosten, doch es sind nur noch mehr Knochen. Sie sind dekorativ verteilt, Handknochen ausgebreitet wie Blüten. In einer anderen Welt hatten diese Dinge – Jägerzaun, Kürbislaterne, Gärten – Zuhause bedeutet. Heute nicht mehr.
»Was ist?«, fragt Bradwell.
»Sieht nicht gut aus«, antwortet Partridge. »Sie sind stolz auf ihre Trophäen.« Ein weiterer Pfeil gräbt sich mit dumpfem Geräusch in das Plastik. »Und sie zielen ziemlich gut. Sind das die Beschützer?«
»Kann schon sein«, sagt Bradwell. »Falls ja, ergeben wir uns. Wir lassen uns fangen und nach drinnen bringen. Ich kann nicht sagen, ob sie es sind, bevor ich sie nicht sehe. Ich brauche einen besseren Blickwinkel. Ich laufe zu dem anderen Haufen dort.« Bradwell zeigt weiter nach vorn.
»Pass auf, dass sie dich nicht treffen.«
»Wie viele Dartpfeile können sie schon haben?«
»Ich möchte lieber nicht wissen, was sie einsetzen, wenn sie keine mehr haben. Du etwa?«, sagt Partridge kopfschüttelnd.
Bradwell sprintet los. Die Darts fliegen ihm entgegen. Er stößt einen Schrei aus, stolpert, packt seinen linken Ellbogen. Er wurde in die Schulter getroffen. Er rennt weiter und wirft sich hinter den nächsten Plastikhaufen.
Partridge sprintet ihm nach, bevor Bradwell ihm zurufen kann, dass er bleiben soll, wo er ist. Er wirft sich neben Bradwell in Deckung. Bradwells Jackenärmel ist voller Blut. Partridge sucht nach dem Dartpfeil in Bradwells Schulter.
»Nicht!«, stöhnt Bradwell und rollt sich von ihm weg.
»Wir müssen ihn aber rausziehen«, sagt Partridge. »Was denn, hast du etwa Angst vor dem bisschen Schmerzen?« Er hält seinen Arm am Ellbogen fest. »Ich mache schnell.«
»Warte! Warte!«, ächzt Bradwell. »Wir machen es bei drei, okay?«
»Bei drei, okay.« Partridge beugt sich vor, drückt Bradwells Arm nach unten, fest gegen den Boden, und packt den Pfeil. Er sitzt tief. »Eins … zwei …« Er zieht mit aller Kraft, reißt den Pfeil heraus und ein Stück der Jacke gleich mit.
»Scheiße!«, schreit Bradwell. Aus der Wunde sprudelt Blut. »Warum hast du nicht bis drei gewartet?«
Rache, denkt Partridge. Ein Impuls, es Bradwell heimzuzahlen. Die Verachtung, die er ihm entgegengeschleudert hat, der gemeine Angriff, als Pressia verschwunden ist. Irgendwie hasst er Bradwell – aber vielleicht nur, weil Bradwell ihn zuerst gehasst hat. »Wir müssen die Wunde verbinden«, sagt Partridge.
»Verdammt!«, ächzt Bradwell und hält seinen Arm gegen die Brust gedrückt.
»Zieh deine Jacke aus.« Partridge hilft Bradwell beim Ausziehen. Er benutzt den kleinen Riss, um den Ärmel abzureißen, und wickelt ihn fest um den Schultermuskel. »Ich wünschte nur, ich hätte was gesehen«, sagt Partridge.
»Ach, weißt du was? Ich glaube, du kriegst deine Gelegenheit«, sagt Bradwell und deutet nach vorn.
Und dort sind zwei Augen, dicht über dem Boden. Ein Kind späht hinter dem Bein eines größeren Geschöpfes hervor – eines Geschöpfes in einer Art Rüstung. Es ist eine Frau. Ein metallener Brustpanzer aus Rasenmäherflügeln, ein Helm. Ein langer Zopf reicht über eine Schulter. Ihre Waffen sind Teile von irgendwas – einer Fahrradkette, einer Bohrmaschine, einer Kettensäge.
»Das sieht doch gar nicht so schlecht aus«, sagt Partridge. »Nur sie und ihr Kind. Wir sind zu zweit.«
»Warte«, sagt Bradwell.
Andere nähern sich lautlos hinter ihr. Es sind ebenfalls Frauen, die meisten haben Kinder, entweder im Arm oder neben sich. Weitere Waffen – Küchenmesser, Grillgabeln, Spieße, Rasentrimmer. Ihre Gesichter sind gesprenkelt mit Glas, Fliesensplittern, Spiegelscherben, glänzendem Plastik. Viele tragen Schmuck, der
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