Memento - Die Überlebenden (German Edition)
mit ihren Handgelenken, Ohrläppchen oder Hälsen verschmolzen ist. Sie scheinen an der Haut zu picken, damit sie nicht über den von dunkelrotem, überkrustetem Schorf eingerahmten Schmuck wächst.
»Haben sie uns gefunden?«, fragt Partridge. »War das die Gruppe, die du gesucht hast?«
»Jepp«, antwortet Bradwell. »Ich denke schon.«
»Sie sehen aus wie Hausfrauen«, flüstert Partridge.
»Hausfrauen mit ihren Kindern«, sagt Bradwell.
»Warum sind die Kinder nicht gewachsen seit damals?«
»Sie können nicht. Sie werden von den Körpern ihrer Mütter in der Entwicklung gehemmt.«
Partridge kann sich kaum vorstellen, dass die Menschen, die hier draußen gewohnt haben, überlebensfähig waren. Sie waren nie etwas anderes als Mitläufer, ohne jeden Mut, für ihre Überzeugungen einzustehen. Diejenigen, die Mut aufbrachten, vielleicht wie Mrs Fareling, verschwanden. Sind dies die Mütter und Kinder der bewachten Wohnanlagen, die Plastikzeug so toll fanden?
Als die Menge näher kommt, erkennt Partridge, dass die Kinder nicht nur an ihre Mütter angeheftet sind. Sie sind mit ihnen verschmolzen. Die erste Frau, die sie gesehen haben, zieht ein Bein etwas nach. Das Kind, das sich an ihrem Bein festzuklammern scheint, ist dort mit ihr verschmolzen. Der Junge hat keine Beine und nur einen Arm, Rumpf und Kopf ragen aus ihrem Oberschenkel. Bei einer anderen Frau starren Augen aus einem knolligen Babykopf, der wie ein Kropf aus ihrem Hals ragt.
Die Gesichter der Frauen sind hager, ihre Blicke finster. Ihre Haltung ist leicht vornübergebeugt, bereit zuzuschlagen.
Partridge zieht den Schal fester, um sein Gesicht zu verbergen.
»Zu spät«, sagt Bradwell. »Nimm einfach die Hände hoch und lächle.«
Noch immer auf den Knien, heben sie die Hände.
»Wir ergeben uns«, sagt Bradwell. »Wir sind hergekommen, um Eure Gute Mutter zu sprechen. Wir brauchen ihre Hilfe.«
Eine Frau mit einem an der Hüfte verschmolzenen Kind tritt vor. Sie schiebt einen mit Messern bewehrten Kinderwagen bis dicht vor Partridges Gesicht. Eine andere Frau mit einer großen Heckenschere geht zu Bradwell und tritt ihm mit voller Wucht gegen die Brust. Sie hält die Schere vor Bradwells Gesicht, und die scharf glitzernden Klingen öffnen und schließen sich bedrohlich. Ein Griff der Schere ist mit ihrer Hand verschmolzen, den anderen bedient sie mit der unversehrten anderen. Schließlich stellt sie den nackten Fuß auf Bradwells Brust, öffnet die Schere weit und hält sie über seinen Hals.
Partridges Arm wird nach hinten gerissen. Er zieht seinen Fleischerhaken, wirbelt herum, schlägt über den Kopf eines verkrüppelten Kindes hinweg ins Leere. Die Hand der Mutter ist mit dem Rücken des Mädchens verschmolzen. Er stolpert mit dem Schwung vorwärts, die Frau rammt ihm ein Knie in den Unterleib, schlägt ihm eine Faust gegen das Kinn und hält ihm ein Küchenmesser an die Brust.
Ihre Tochter lacht.
Partridge wird klar, dass diese Frauen und ihre mit ihnen verschmolzenen Kinder taktisch vorgehen. Sie sind brutal. Sie sind Soldaten. Durch seine Codierung kann er es zwar mit einem halben Dutzend von ihnen gleichzeitig aufnehmen, doch jetzt sieht er, dass es wohl mehr als hundert sind. Andere Frauen kommen schnell dazu, nehmen ihnen ihre Messer, Haken und die Rasendarts ab, die sie eben erst eingesammelt haben.
Die Frau mit dem Küchenmesser packt Partridge mit einem Griff am Arm, der sich anfühlt, als würden sich scharfe Zähne in sein Fleisch senken. Sie zerrt ihn mit überraschender Kraft auf die Beine. Er sieht an seinem Arm herunter und bemerkt, dass er blutüberströmt ist, dann erhascht er einen Blick auf ihre Handfläche, die mit Spiegelscherben übersät ist. Sie zieht einen alten dunklen Kopfkissenbezug aus dem Gürtel. Eine andere Frau tritt hinter ihn, biegt seine Arme nach hinten und bindet seine Handgelenke so fest, dass sich seine Ellbogen hinter dem Rücken fast berühren. Er wirft einen Blick zu Bradwell, der inzwischen ebenfalls wieder auf den Beinen ist und gefesselt wird.
Das Letzte, was Partridge sieht, bevor ihm der Kopfkissenbezug übergestülpt wird, ist ein goldenes Kreuz an einer dünnen Kette, eingebettet in eine verbrühte Brust.
Und dann umfängt ihn Dunkelheit. Sein eigener feuchter Atem, eingehüllt in die dunkle Haube.
Er denkt an das Meer. Hat seine Mutter ihn damals in eine Decke gehüllt? Hat der Wind den Stoff an seinem Ohr flattern lassen? Hat es das ständige Rauschen des Ozeans übertönt? Was
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