Memento - Die Überlebenden (German Edition)
die Pritsche seines Karrens. Der Schmetterling flattert mit den Flügeln. »Ich frage mich, wie es gewesen sein muss, in deiner Zeit aufzuwachsen. Weihnachten und Geburtstage und alles«, sagt sie.
»Ich habe als Kind an Zauberei geglaubt. Soll man es für möglich halten?« Er neigt den Kopf und starrt den Schmetterling an. »Wie viel?«
»Normalerweise nehme ich eine Menge. Es ist eine Erinnerung an Vergangenes. Aber für dich? Die restlichen Knollen, schätze ich. Die noch übrig sind«, sagt sie. »Mehr brauchen wir nicht.«
Er reicht ihr den Korb, und sie rollt die Knollen in ihren Sack. Dann gibt sie ihm den Schmetterling.
»Ich gebe ihn meinem Sohn«, sagt Kepperness. »Er hat nicht mehr lange.«
Pressia hat sich bereits zum Gehen gewandt. Sie hört das Ticken des Aufziehmechanismus und das Flattern der Flügel.
»Das wird ihn ein bisschen aufmuntern.«
Nein, denkt sie. Geh weiter. Frag nicht. Doch sie erinnert sich an seinen Sohn. Er war ein süßes Kind. Und zäh. Er hat nicht geweint, als ihr Großvater seinen Hals genäht hat, und das, obwohl es nichts gegen die Schmerzen gab. »Ist denn noch was mit ihm passiert?«
»Ein Dust hat ihn angegriffen. Er war draußen, hinter den Feldern, in der Nähe der Wüste, jagen. Er sah das Auge im Boden, dann zog ihn die Bestie nach unten in den Sand. Seine Mutter war bei ihm und konnte ihn retten, aber er wurde irgendwie gebissen. Sein Blut ist infiziert.«
Dusts sind diejenigen, die irgendwie mit der Erde verschmolzen sind – in den Städten verschmolzen sie mit den Gebäuden. Die meisten von ihnen starben, kurz nachdem die Bomben fielen – nichts, keine Münder oder Münder ohne Verdauungsorgane. Ein paar haben überlebt, weil sie mehr Stein als Mensch wurden, und andere, weil sie beweisen konnten, dass sie nützlich waren, dass sie mit den Bestien zusammenarbeiten konnten – das sind diejenigen, die mit Tieren verschmolzen sind. Wann immer Pressia in den Trümmern nach Verwertbarem sucht, achtet sie auf Dusts, die nach oben greifen, sie am Bein packen und runterzerren könnten. Sie ist noch nie so weit außerhalb der Stadt gewesen wie der Junge. Dort sind einige mit der Erde verschmolzen. Sie hat gehört, dass sie draußen in den Deadlands aus dem aschenen Sand blinzeln. Sie hat auch gehört, dass viele von den Überlebenskünstlern, die das Ende kommen sahen und vor den Explosionen in die Wälder gezogen waren, von den Bäumen verschluckt wurden.
Sie hat gehört, dass ein Biss einen grausamen Tod bedeutet. Die Gebissenen haben Schaum vor dem Mund und Anfälle. Pressia greift in den Sack und holt die Knollen heraus. »Das wusste ich nicht«, sagt sie. »Hör mal, behalt die Knollen und den Schmetterling.«
»Nein«, sagt Kepperness und steckt den Schmetterling in eine Innentasche seines Mantels. »Ich habe deinen Großvater vor Kurzem gesehen. Ihm geht es auch nicht gut, oder? Wir alle haben jemanden. Geschäft ist Geschäft.«
Sie weiß nicht, was sie sagen soll. Er hat recht. Jeder hat jemanden, der gestorben ist oder im Sterben liegt. Sie nickt. »Okay«, sagt sie. »Es tut mir wirklich leid.«
Er hat seine Arbeit wieder aufgenommen und schüttelt den Kopf. »Uns allen tut es leid.« Er entfaltet eine schwere Plane und schlägt sie über seine Waren. Als er nicht hinsieht, kippt sie ihren Sack um, und ein paar Knollen rollen zurück in den Korb.
Sie wendet sich ab und geht rasch davon. Sie hätte nicht alle Knollen essen können, nicht in dem Wissen, dass Kepperness’ Sohn stirbt. Außerdem hat sie mehr verlangt, als sie sonst für ihre Arbeit nimmt.
Trotzdem muss sie jetzt noch weiter, Trümmer fleddern. Kepperness hat recht. Ihr Großvater ist krank. Er wird nicht mehr lange durchhalten. Was, wenn sie aufgegriffen wird oder zu früh flüchten muss? Sie muss so viele Spielzeuge machen wie möglich, damit er etwas zum Handeln hat und überleben kann. Sie eilt weiter.
Als sie ans Ende des Markts kommt, bleibt sie stehen. Dort, an einer niedrigen Ziegelmauer, hängt eine neue Liste der OSR. Sie flattert im kalten Wind. Ein paar Straßenhändler schieben ihre Karren die Straße hinunter, ein lautes, klapperndes Echo. Sie wartet, bis sie weg sind, dann geht sie hin und betrachtet die Liste. Drückt das Papier glatt. Die Schrift ist klein. Sie muss nah heran. Ihre Augen huschen über die Seite.
Und dann sieht sie es.
Den Namen PRESSIA BELZE und ihr Geburtsdatum.
Sie streicht mit der Fingerspitze über die Buchstaben.
Es gibt keinen Zweifel
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