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Memento - Die Überlebenden (German Edition)

Memento - Die Überlebenden (German Edition)

Titel: Memento - Die Überlebenden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julianna Baggott
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mehr. Es gibt keine verlorene Akte mit ihren Daten darin. Dort steht ihr Name. Es ist Wirklichkeit geworden.
    Sie weicht zurück, stolpert über herumliegende Steine, rennt in die erste Seitenstraße, die sie findet.
    Sie friert jetzt. Die Luft ist feucht. Sie zieht ihren unteren Pullover hoch, um den Hals zu wärmen, dann den zweiten, ausgeleierten über die Puppenkopf-Faust, die noch immer in einer Socke steckt, dann kreuzt sie die Arme vor der Brust und steckt die Hand unter die Achselhöhle. Es ist eine Angewohnheit. Das macht sie immer, wenn sie draußen ist, in der Öffentlichkeit, und nervös. Es gibt ihr so etwas wie Geborgenheit, beinahe.
    Mitten zwischen den Ruinen zu beiden Seiten gibt es auch Gebäude, die noch immer wie Skelette in den Himmel ragen. Menschen haben sich notdürftig darin eingerichtet. Dann kommt sie an einem Haus vorbei, das vollständig zusammengestürzt ist. Das sind die besten, um zu plündern. Sie hat schon oft wunderschöne Dinge in den Trümmern gefunden – Draht, Münzen, Metallklammern, Schlüssel – doch die Trümmer sind auch gefährlich. Die hauptsächlich menschlichen Dusts und manche der menschenähnlicheren Bestien haben sich Wohnhöhlen in die Trümmer gegraben und wärmen sich an Feuern, auf denen sie ihre Beute braten und von denen kleine Rauchsäulen aufsteigen. Pressia stellt sich Kepperness’ Sohn draußen in den Deadlands vor, ein Auge im Sand zu seinen Füßen, dann eine Hand, die wie aus dem Nichts nach oben schießt, ihn hinabzerrt. Pressia ist allein. Wenn sie gepackt und hinuntergezogen wird, werden sie sie mit Haut und Haaren verschlingen.
    Sie sieht keinen Rauch, also betritt sie einen Haufen wackelnder Steine, bahnt sich vorsichtig einen Weg, sucht nach dem Glitzern von Metall, kleinen Stücken Draht. Sie weiß, dass die Ruinen mehr oder weniger ausgeplündert sind, doch sie findet etwas, das aussieht wie eine Gitarrensaite, ein paar Stücke geschmolzenes Plastik, die aussehen wie Teile von einem Brettspiel, und ein dünnes Metallrohr.
    Vielleicht kann sie daraus etwas Besonderes basteln, für ihren Großvater. Ein Geschenk, das es wert ist, in Ehren gehalten zu werden. Sie will es nicht Memento , Andenken, nennen, weil es sie daran erinnert, dass sie vielleicht bald nicht mehr da ist, doch schon ist es in ihrem Kopf. Memento .
    Als sie sich über die Marktstraße auf den Weg nach Hause macht, sind alle Stände geschlossen. Sie ist spät dran. Sie sollte sich lieber beeilen. Großvater wird anfangen sich Sorgen zu machen. Am anderen Ende der Straße sieht sie den Jungen mit den weit auseinanderstehenden Augen, Mikel. Er grillt ein neues Tier auf dem Fassgrill. Es ist winzig, kaum größer als eine Maus, fast ohne Fleisch.
    Neben ihm steht ein kleinerer Junge. Er greift nach oben, will das Fleisch anfassen. »Nicht!«, sagt Mikel warnend. »Du verbrennst dich.«
    Er versetzt dem Jungen einen Stoß, dass er hinfällt. Der kleine Junge ist barfuß. Seine Zehen sind nur Stummel. Er schrammt sich das Knie auf, schreit beim Anblick seines Blutes und rennt in Richtung eines dunklen Hauseingangs davon. Drei Frauen treten nach draußen – alle miteinander verschmolzen, ein Gewirr aus Kleidung, das ihre geschwollene Mitte verbirgt. Teile eines jeden Gesichts scheinen zu glänzen und sind regungslos, als wären sie aus Plastik. »Mehrlinge« werden diese Zusammengeschmolzenen von allen genannt. Eine der Frauen hat Hängeschultern und einen krummen Rücken. Sie fuchteln mit den Armen, ein Paar blass und sommersprossig, die anderen beiden dunkel. Die Frau in der Mitte packt den Jungen. »Sei still!«, sagt sie. »Halt den Mund, hörst du?«
    Die Frau mit den Hängeschultern und dem krummen Rücken, die anscheinend am wenigsten mit den anderen verschmolzen ist, brüllt Pressia an: »Warst du das? Hast du dem Jungen wehgetan?«
    »Ich habe ihn nicht angerührt!«, sagt Pressia und zupft an ihrem Ärmel.
    »Du kommst jetzt rein, es ist Zeit«, sagt die Frau zu dem Jungen. Sie blickt sich um, als könnte sie spüren, dass etwas in der Luft liegt. »Sofort.«
    Der Junge windet sich aus ihrem Griff und rennt noch lauter weinend die Straße hinunter in Richtung des verlassenen Marktes.
    Die mit dem krummen Rücken sieht über die Schulter nach hinten, hebt eine knochige, knotige Faust und schüttelt sie drohend in Pressias Richtung. »Siehst du, was du angerichtet hast?«
    Hinter sich hört Pressia Mikel schreien: »Eine Bestie! Eine Bestie!«
    Sie dreht sich um, und

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