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Memento - Die Überlebenden (German Edition)

Memento - Die Überlebenden (German Edition)

Titel: Memento - Die Überlebenden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julianna Baggott
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verheimlicht.
    Glassings hat jahrelang um die Genehmigung für diesen Ausflug gerungen. Endlich hat er sie bekommen, und jetzt sind sie hier. Eine aufgezeichnete Frauenstimme dringt aus unsichtbaren Lautsprechern an der Decke: »Für jeden Verstorbenen gibt es eine kleine Metallbox, in der die persönlichen Gegenstände verwahrt werden. Die Leichen werden eingeäschert, denn Platz ist knapp. Wir müssen uns einschränken. Und zwar so lange, bis das Land draußen wieder bewohnbar ist und wir unseren rechtmäßigen Platz als Bewohner und Neuschöpfer der natürlichen Umwelt wieder einnehmen können.«
    »Dürfen wir die Boxen aufmachen?«, ruft Arvin Weed aufgeregt. »Ich habe eine Tante gefunden!«
    »Tantchen Weed!«, ruft einer der Jungs spöttisch.
    »Ja«, antwortet Glassings geistesabwesend, zweifelsohne abgelenkt von seiner eigenen Suche. »Man bekommt nicht jeden Tag Zutritt zu den Archiven. Benehmt euch. Fasst nichts an.« Was bedeutet, dass Glassings die Metallbox öffnen wird, wenn er findet, wonach er sucht. Partridge hatte angenommen, dass sie nichts öffnen durften, nur reihenweise Metallboxen sehen würden. Sein Herz schlägt schneller. Er beschleunigt seine Schritte, bevor Glassings seine Meinung ändert, bevor einer der Aufseher kommt und ihnen verbietet, die Boxen zu öffnen. Er rennt beinahe. Er fühlt sich benommen. Es scheint, als würden alle Jungen losrennen, um Ecken schlittern, unsicher auf den Beinen wegen der Codierung.
    Partridge erreicht nach langen Reihen das Ende des Alphabets – Willux. Er findet den Namen seines älteren Bruders – SEDGE WATSON WILLUX – und seine Daten in winziger, ordentlicher Druckschrift. Er streicht mit den Fingerspitzen über die erhabene Schrift. Die Tinte ist nicht verblasst wie bei manch anderer Box. Sedge ist erst seit einem Jahr tot. Manchmal kommt es ihm vor wie eine Ewigkeit, und dann, beinahe im gleichen Moment, ist es, als wäre er immer noch da und alles nur ein Irrtum der Verwaltung gewesen.
    Er erinnert sich an das letzte Mal, das er Sedge gesehen hat. Es war auf seinem Einführungsdinner. Sedge und die fünf anderen frisch graduierten Jungs von der Akademie waren die Ersten in der neuen Elitetruppe gewesen. Sedge trug seine Uniform. Die Codierung war vollständig abgeschlossen: Er war größer, breiter, muskulöser, sein Kiefer kraftvoller. Er sagte Partridge, er wäre zu mager. »Du musst mehr Proteinriegel essen«, empfahl er seinem jüngeren Bruder. Und dann kam ein Augenblick, als er Partridge ansah und sagte: »Erinnerst du dich an die Geschichten, die du immer erzählt hast? Die Märchen?« Partridge hatte den Kopf geschüttelt. Sedge hatte gelacht. »Ich denke heute noch manchmal daran zurück.« Als sie sich schließlich verabschiedeten, hatte Sedge seinen jüngeren Bruder umarmt und ihm ins Ohr geflüstert: »Vielleicht bleibt dir das erspart.« Damals hatte Partridge es als Gemeinheit empfunden – als wäre er nicht Manns genug, die Ausbildung zu schaffen. Doch nachdem Sedge tot aufgefunden worden war, fragte sich Partridge, ob es vielleicht ein ernster, aufrichtiger Wunsch gewesen war, eine Hoffnung.
    Partridge weiß nicht, was aus den anderen Jungen geworden ist, die an jenem Tag eingeführt wurden. Er hat ein Gerücht gehört, dass sie in einem intensiven Training wären und ihre Familien nur noch Briefe von ihnen bekämen. Partridge nimmt an, dass die Familien sich nicht beklagen – sie müssen erleichtert sein, dass ihre Kinder überhaupt noch am Leben sind.
    Partridge legt die Finger um den Griff, doch aus irgendeinem Grund bringt er es nicht über sich, die Box zu öffnen. Sedge ist tot. In der Zeile unter seinem Namen steht in kleiner Schrift: Ursache: Schusswunde, selbst zugefügt. Im Gegensatz zum Leben im Davor hat Selbstmord kein so negatives Stigma mehr. Die knappen Ressourcen sollen an die Gesunden gehen und diejenigen mit einem starken Lebenswillen. Die Sterbenden und Schwachen werden nicht gefördert – das wäre ineffektiv. Eines Tages in hoffentlich nicht allzu ferner Zukunft werden sie alle in die Welt draußen zurückkehren, in das Neue Eden, wie einige es nennen, und dann müssen sie abgehärtet sein. Sedges Selbstmord war tragisch, weil er jung und stark war, doch der Akt an sich war ein Zeichen für einen Defekt, und er hatte etwas Bewundernswertes an sich – zumindest war das die Argumentation, die Partridge zu hören bekam. Dass es tapfer war von Sedge, dass er seinen Defekt selbst erkannt und sich zum

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