Memento für Maybelle
schwarz
umrandetes Loch, aus dem erstaunlich wenig Blut geflossen war. Seine Haut
fühlte sich eiskalt an, und es gelang mir nicht, seinen rechten Arm zu bewegen.
Die Totenstarre war also schon eingetreten, was hieß, daß er schon ziemlich
lange tot sein mußte. Ein Gerichtsmediziner hätte das sehr viel genauer
feststellen können. Aber die Polizei zu benachrichtigen war im Augenblick das
letzte, was ich vorhatte.
Zumindest ein Problem war
gelöst. Wir brauchten nicht mehr nach Lloyd Dalton zu suchen.
Wir hatten ihn gefunden.
8
Ich hob Yvonne auf und trug sie
in ihr eigenes Zimmer zurück. Sie begann zu sich zu kommen, während ich eine
Decke über sie breitete. Gleich nachdem sie die Augen geöffnet hatte, schoß sie
bolzengerade in die Höhe und warf die Arme um meinen Hals.
»Rick!«
»Ist ja gut, mein Schatz«,
beruhigte ich sie.
»Aber es war entsetzlich! Er
ist tot! Und hängt da in meinem Schrank .«
»Es ist Lloyd Dalton, nicht
wahr ?«
»Ja, es ist Lloyd«, bestätigte
sie mit bebender Stimme. »Aber wer hat ihn umgebracht? Und warum haben sie
seine Leiche in meinem Haus zurückgelassen ?«
»Das weiß ich auch nicht«,
erwiderte ich. »Jetzt müssen wir uns erst einmal um uns selber kümmern .«
»Was willst du tun ?« Sie sah mich eindringlich an. »Die Polizei
benachrichtigen ?«
»Gott behüte !« Ich schüttelte den Kopf. »Um wieviel Uhr bist du von
den Hinds ’ weggefahren ?«
»Am Spätnachmittag. Gegen
sechs.«
»Und du bist auf direktem Weg
hierhergekommen ?«
»Ja.«
»Und bist im Haus geblieben,
bis du dich entschlossen hast, zu mir zu fahren ?« Sie
nickte bestätigend. »Hast du irgend jemanden gesehen, während du hier warst ?«
»Nein.«
»Hat dich jemand angerufen ?«
»Nein.«
»Dann bist du überhaupt nicht hiergewesen «, erklärte ich. »Nachdem du von den Hinds ’ weggefahren bist, hast du dir unterwegs überlegt,
daß es bei dir zu Hause zu einsam sein würde. Deshalb bist du gleich zu mir
weitergefahren. Und du bist bei mir geblieben! Zieh dich jetzt an, mach das
Bett und packe deinen Koffer zusammen, okay? Mit denselben Sachen, die du bei
den Hinds ’ mit hattest. Und dann räume im Wohnzimmer
auf. Wasch die Gläser ab und so weiter .«
»Du meinst, wir sollen ihn
einfach im Schrank hängenlassen ?«
»Sehr richtig«, erwiderte ich
gepreßt. »Genau das werden wir tun .«
»Rick, das können wir nicht !«
»Okay«, sagte ich. »Dann rufen
wir eben die Polizei. Du kannst alles schön erzählen. Wie Dalton dir gesagt
hat, daß er dabeigewesen sei, als dein Bruder
erschlagen wurde, und sogar Beweisfotos liefern könne. Die Beamten werden
vielleicht Verständnis haben, daß du die Polizei lieber nicht informieren,
sondern die Fotos benutzen wolltest, um Craig Forrest zu einer Heirat zu
zwingen .«
»Du hast recht .« Yvonne nickte resigniert. »Manchmal bin ich wirklich
ziemlich blöd .«
Sie schlug die Decke zurück,
schwang die Beine auf die Erde und stand auf. »Ich werde tun, was du sagst,
Rick .«
»Ich bringe inzwischen das
Gästezimmer in Ordnung. Und vergiß nicht, das Bett zu machen .«
Im Gästezimmer machte ich
ebenfalls das Bett und packte meine Tasche wieder ein. Dann trat ich an den
Schrank. Dalton hing noch in derselben Haltung, was nicht sonderlich
überraschend war. Ich durchsuchte seine Taschen, fand aber nichts. Dann öffnete
ich die Rückseite der Kamera. In dem schmalen Fach lag ein hübsches Bündel
Negative und Abzüge, von einem Gummiband ordentlich zusammengehalten. Ich
steckte das Bündel in die Innentasche meines Jacketts und machte die Kamera
wieder zu. Dann wischte ich meine Fingerabdrücke von der Kamera ab, machte den
Schrank zu und wischte auch den Schrankschlüssel sauber. Die Sektflasche, die
beiden Gläser und meine Tasche nahm ich mit hinaus. Ich spülte die beiden
Gläser, trocknete sie sorgfältig ab und stellte sie an ihren Platz zurück. Den
restlichen Sekt kippte ich in den Ausguß, die leere Flasche steckte ich mit in
meine Tasche. Eine geleerte Sektflasche in Yvonnes Mülleimer würde eventuell
merkwürdig aussehen.
Yvonne erschien wenige Minuten
später im Wohnzimmer. Sie trug wieder ihr Puccikleid und einen Koffer in der Hand. Wir knipsten alle Lampen aus und stiegen in
Yvonnes Wagen.
Während der Fahrt sagte keiner
von uns ein Wort. Uns war beiden nicht nach einer Unterhaltung zumute.
Nachdem Yvonne vor meinem Haus
gehalten hatte, ließ ich sie erst noch ein paar Minuten im Wagen sitzen,
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