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Memoiren 1902 - 1945

Memoiren 1902 - 1945

Titel: Memoiren 1902 - 1945 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leni Riefenstahl
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Mal wurde ich bei der Arbeit gestört. Traut wiederholte: «Die Reichskanzlei hat angerufen, Hitler möchte dich sprechen. Du sollst sofort kommen.» Ich bekam einen Schreck. Was konnte um Gottes willen schon wieder passiert sein?
      «Haben sie nicht gesagt, was man von mir will?»
      Waldi verneinte. Ich schaute in den Spiegel, ungepflegte Haare, eingefallene Augen und ein bleiches Gesicht blickten mich an. Seit Wochen war ich nicht mehr zum Friseur gekommen. Ich zog meinen Schneidekittel aus und ließ mich von unserem Chauffeur, so wie ich war, in Rock und Pulli zur Reichskanzlei fahren. Seit dem letzten Mal, als ich Hitler über Goebbels mein Leid geklagt hatte, war ein halbes Jahr vergangen. Seitdem hatte ich Ruhe gehabt.
      Beklommen und mit Herzklopfen betrat ich Hitlers Arbeitszimmer. Meine Angst wich, als er mich gut gelaunt begrüßte.
      «Es tut mir leid, daß ich Sie von der Arbeit weggeholt habe, aber es geht um eine eilige Angelegenheit, bei er ich Ihre Hilfe erbitte.» Nun war ich überrascht und noch mehr, als er fortfuhr: «Können Sie Dr. Goebbels und mich morgen in Ihr Haus zum Tee einladen?»
      Ich begriff überhaupt nichts. «Mein Haus ist noch nicht fertig, ich wohne noch immer in der Hindenburgstraße.»
      Nun war Hitler enttäuscht: «Ist es nicht eingerichtet?»
      Ich erzählte ihm, daß die Inneneinrichtung noch nicht komplett sei, worauf er lachend sagte: «Das ist ja großartig», und sich die Hände rieb. Dann nahm er eine Zeitung vom Tisch und zeigte sie mir. Es war die Schweizer «Weltwoche». Auf der Titelseite stand: «Der gefallene Engel des III. Reiches».
      «Lesen Sie nur», forderte Hitler mich auf, «was für schamlose Lü gen wieder einmal im Ausland verbreitet werden. Ich gebe sonst nichts auf dieses Geschmiere, aber das geht mir zu weit, das kann ich auf Dr. Goebbels nicht sitzen lassen.»
      Ich überflog den langen Bericht, der wirklich unglaublich klang.
      Da stand ungefähr folgendes zu lesen:
      «Bei einem Abendessen, das Reichsminister Dr. Frick für in- und ausländische Gäste gab, unter denen sich auch Dr. Goebbels und die Schauspielerin Leni Riefenstahl befanden, soll es zu einem unglaublichen Skandal gekommen sein. Dr. Goebbels sei während des Essens aufgestanden und hätte erklärt, Fräulein Riefenstahl sei jüdischer Abstammung. Er verlangte, daß sie sofort das Haus verlassen müßte, worauf sie zur Reichskanzlei gefahren wäre. Am nächsten Morgen hätte ein Möbelwagen ihre Sachen dort abgeholt, und die in völlige Ungnade gefallene Leni hätte Deutschland verlassen müssen und versteckte sich nun als gefallener Engel des III. Reiches› irgendwo in der Schweiz.»
      Hitler war entrüstet: «Dieser Unfug wird bestimmt durch den ganzen internationalen Blätterwald gehen, und darum möchte ich ihn sofort durch ein aktuelles Foto dementieren. Morgen nachmittag, wenn wir Sie zum Tee im Garten Ihres neuen Hauses besuchen dürfen, wird Herr Hoffmann uns gemeinsam fotografieren. Dr. Goebbels wird Ihnen zur Einweihung Ihres Hauses einen Strauß Rosen überreichen.»
      Ich kann nicht behaupten, daß mir die Idee, mit Dr. Goebbels in meinem Garten fotografiert zu werden, gefiel, aber ich verstand Hitlers Überlegungen. Wie hätte ich ahnen können, welche Rolle diese Bilder nach Kriegsende für mich spielen würden!
      Einem meiner Freunde brachte dieser Besuch Hitlers allerdings einen unerwarteten Erfolg, dem in Künstlerkreisen sehr beliebten und begabten Maler Bollschweiler, einem Original. Seine Tierliebe war so unermeßlich, daß es ihm sogar gelang, meine Abneigung gegen Schlangen ins Gegenteil zu verwandeln. Meistens zeichnete er im Berliner Zoo. Er konnte in jeden Käfig gehen und wurde nie angegriffen. Ich hatte erfahren, er sei unglücklich, daß keines seiner Bilder für die bevorstehende erste Ausstellung im «Haus der Deutschen Kunst» in München ausgewählt worden war, die Jury kannte sie gar nicht. Darauf beschloß ich, mit Hilfe meiner Sekretärin, noch am Abend vor dem Besuch mit einem Lastwagen alle nur auffindbaren Bilder Bollschweilers einzusammeln und die leeren Wände meines Hauses damit zu schmücken.
      Pünktlich, wie vereinbart, erschienen am nächsten Tag Hitler, Dr. Goebbels und der Fotograf Heinrich Hoffmann. Außerdem hatte ich
meine Mutter und meinen Bruder und einige Bekannte eingeladen. Es verlief alles programmgemäß.
      Lächelnd überreichte mir Dr. Goebbels einen großen Strauß roter

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