Memoiren 1902 - 1945
wichtige Szenen herausgeschnitten.»
«Wieso das, was für Szenen?»
«Einige der wichtigsten», schimpfte Trenker, «einen Höhepunkt des Films, die Aufnahmen wie ‹Condottieri› mit seinen Rittern im Vatikan vor dem Papst niederkniet.»
«Daß Goebbels davon nicht sehr begeistert ist, hättest du dir doch denken können», sagte ich amüsiert.
Trenker: «Ich hatte doch das Drehbuch eingereicht, und es wurde auch vom Ministerium genehmigt. Man hätte mir das doch vorher sagen können, dann hätte ich das gar nicht erst aufgenommen - das wäre mir doch scheißegal gewesen.» Dann wischte er sich über die Stirn, umfaßte meine Taille und tanzte mit mir einen Walzer. Nie hätte ich mir vorstellen können, was ich mit diesem Mann noch erleben würde.
Eine andere kleine Episode am Rande der turbulenten Tage: Auf dem Weg in Richtung Feldherrnhalle durch die Ludwigstraße, als der Festzug vorüber war, fiel mein Blick auf einen jungen Mann in einer Telefonzelle. Er sah sehr fotogen aus. Immer wenn ich Menschen sah, gleich ob jung oder alt, ob Mann oder Frau, die ich für den Film geeignet hielt, bat ich sie um Namen und Adresse. So besaß ich schon eine ziemlich umfangreiche Kartothek. Als der junge Mann die Zelle verließ, sprach ich ihn an und bat ihn auch um Namen und Adresse.
«Wieso?» fragte der Fremde verdutzt.
«Verzeihen Sie,- vielleicht kennen Sie mich, ich bin Leni Riefenstahl.»
Der junge Mann lachte und sagte: «Ich heiße Henri Nannen und bin über den Bruckmann-Verlag in München erreichbar.»
Bei den Synchronarbeiten am Olympiafilm erinnerte ich mich an ihn. Wir mußten noch eine kleine Rolle besetzen, den deutschen Sprecher, der die Olympischen Spiele eröffnet. Ich beauftragte Herrn Bartsch, einen meiner Mitarbeiter, mit diesem jungen Nannen Kontakt aufzunehmen und mit ihm die Aufnahme, die vor einer Rückprojektion des Stadions gemacht werden sollte, zu probieren. Eine kurze Szene mit nur einem Satz. Ich konnte nicht dabeisein, ich war im Schneideraum beschäftigt.
Erst fünfzehn Jahre später habe ich den jungen Mann aus der Telefonzelle wiedergesehen, als Chefredakteur des «stern». Es gibt namhafte Journalisten, die sich nicht geniert haben, Henri Nannen zu unterstellen, er müsse auch deshalb ein Nazi gewesen sein, weil er
1938 in meinem Olympiafilm eine wichtige Rolle hatte. Um dies aufzuklären, habe ich diese kleine Episode erzählt.
Aber noch ein Wort zum «Tag der Deutschen Kunst». Er wurde hier in der Öffentlichkeit so festlich begangen wie zwei Jahre zuvor in Berlin die Wochen der Olympischen Spiele. Mit großem Aufwand und viel Geschmack hatten Münchner Künstler die Straßenzüge, durch die sich der Festzug bewegte, dekoriert. In Nymphenburg wurde eine «Nacht der Amazonen» gefeiert, und im Englischen Garten rund um den Chinesischen Turm hingen in den hohen Bäumen große, bunte Stoffballons und verwandelten die Szene in einen feenhaften Sommernachtstraum.
Im Gegensatz zu dieser Pracht hatte mich der Anblick der ausgestellten Werke verwirrt. Welche Peinlichkeit stellten da Adolf Zieglers vier Nackedeis als «Die vier Elemente» dar, um die sich die Besucher drängten, oder Hitler als «Ritter» auf einem weißen Gaul und ein weiteres Dutzend heroischer oder allegorischer Führerporträts. Wo waren «meine» deutschen Künstler- Klee, Marc, Beckmann, Nolde oder Käthe Kollwitz -, die ich von Jugend an verehrt und so oft im Kronprinzen-Palais bewundert habe.
Durch das Übermaß an Arbeit hatte ich, vom täglichen Geschehen völlig abgesondert, gelebt wie in einem Ei, abgeschlossen von der Außenwelt. Sogar meine Eltern und Heinz sah ich nur ganz selten.
Rundfunk hörte ich nicht, und Zeitungen kamen nie in meine Hände. So hatte ich keine Ahnung, daß die Werke «meiner» Künstler aus Museen und Galerien verschwunden und als «Entartete Kunst» diffamiert ausgestellt und oder im Ausland versteigert worden waren.
Nicht nur der Anblick der neuen deutschen Kunst versetzte mir einen Schock, auch Hitlers Rede, die er vor Tausenden zum «Thema Kunst» hielt, irritierte mich. Über Politik hatte ich kein Urteil, aber zu allem, was mit Kunst zu tun hatte, hatte ich eine starke Beziehung. Als Hitler seine Entschlossenheit zu einem «unerbittlichen Säuberungskrieg» gegen die «sogenannte moderne Kunst» verkündete, war ich entsetzt. Noch dachte ich damals, ein Politiker muß nicht unbedingt Kunstverständnis besitzen,
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