Memoiren 1902 - 1945
schmales, aristokratisch geschnittenes Gesicht. Eines Tages sprach er mich an und stellte sich vor: «Harry Sokal aus Innsbruck.»
Er machte mir Komplimente über meine improvisierten Strandtänze und sagte schon bei diesem ersten Gespräch: «Ich kann Sie, wenn Sie möchten, für einige Tanzabende im Innsbrucker Stadttheater engagieren.»
«Sind Sie Intendant oder Direktor dieses Theaters?» fragte ich.
Er lächelte.
«Das nicht», sagte er, «aber ich habe das Geld, um das Theater zu mieten, und ich bin überzeugt, daß Sie einen großen Erfolg haben werden.»
Zurückhaltend sagte ich: »Soweit bin ich noch nicht, ich muß noch ein paar Jahre studieren.»
«Spielen Sie Tennis?» fragte er. Ich bejahte. Am Abend lud er uns zum Essen ein. Wir besuchten ein originelles Fischrestaurant. Eine angenehme Abwechslung in unserem Aufenthalt, und Hertha war gelöst wie selten. Ihr gefiel dieser Mann.
Von nun an waren wir fast immer zu dritt und wurden bald, man könnte sagen, gute Freunde. Er spielte ausgezeichnet Tennis, was mich anfeuerte, und wir waren täglich auf dem Tennisplatz. Mir entging nicht, daß er in mich verknallt war, nur leider ich nicht in ihn. Mehr als sympathisch fand ich ihn nicht.
Und dann war der Urlaub aus. Am letzten Tag fragte mich Harry Sokal schlankweg, ob ich ihn heiraten würde. Ich fand es immer peinlich, wenn sich ein Mann in mich verliebte und ich seine Gefühle nicht erwidern konnte. Aber Sokal gab die Hoffnung nicht auf - er schien entschlossen, um mich zu kämpfen.
Bei unserer Rückkehr befanden sich unsere Eltern noch in Bad Nauheim, und auch Herthas Eltern waren noch im Urlaub. Wir hatten Glück gehabt, erst Jahre später haben wir ihnen unsere Abenteuer verraten.
Eine Schönheitskonkurrenz
I n den Zoo-Festsälen wurde eine Schönheitskonkurrenz veranstaltet. Mein Vater verbrachte das Wochenende auf seiner Jagd, und so konnte meine Mutter mit mir diesen Ball besuchen. Sie hatte mir ein hübsches silbergrünes Seidenkleid genäht, mit weißen Schwanenfedern eingesäumt. An den Litfaßsäulen stand zu lesen, daß auch Filmstars an der Konkurrenz teilnehmen würden, darunter Lee Parry, eine damals bekannte superblonde Filmschauspielerin, die aus München stammte. Theater und Film fesselten mich immer mehr, weil ich nur strenge Bürgerlichkeit kannte.
Wir mußten uns durch eine Menschenmenge zwängen, die Säle waren überfüllt. Ein Vergnügen schien diese Veranstaltung nicht gerade zu werden. Jeder trat jedem auf die Füße, und die ständig hinund herrennenden Leuten versperrten die Sicht auf die Bühne. Von allen Seiten wurden mir Zettel hingehalten, die ich aber nicht annahm, da wir sie für Lotterielose hielten und ich von Fremden keine Geschen ke annehmen durfte. Mein Hauptinteresse galt den Filmstars, die auf einer mit Blumen geschmückten Podiumsbühne auftreten sollten.
Erst als ich mich schon bis in deren Nähe vorgearbeitet hatte, erfuhr ich, daß die Mädchen, die die meisten Stimmzettel erhielten, die Preise bekommen würden. Nun tat es mir leid, daß ich die vielen Zettel nicht genommen hatte, und von nun an verschmähte ich sie nicht mehr. Plötzlich ein Tusch, und ein Herr versuchte, von der Bühne herab sich Ruhe zu verschaffen.
«Alle Damen, die mehr als zwanzig Zettel erhalten haben», rief er, «sollen bitte heraufkommen.»
Aufgeregt zählte ich meine Zettel - es waren mehr als genug. Nur widerstrebend erlaubte mir meine Mutter, auf die Bühne zu klettern. Vom Scheinwerferlicht geblendet, konnte ich zuerst kaum etwas erkennen. Von unten wurde mir noch eine Menge eingerollter Zettel vor die Füße geworfen, soviel, daß ich sie gar nicht alle aufsammeln und in Händen halten konnte. Ungefähr dreißig junge Mädchen standen jetzt auf der Bühne. Wieder ein Tusch, und dann wurden die Zettel ausgezählt.
Den ersten Preis erhielt, wie erwartet, die blonde Lee Parry. Sie trug ein mit Silberflittern besetztes weißes Tüllkleid. Der zweite Preis - ich dachte, in den Boden zu versinken - fiel auf mich. Ein Riesenapplaus setzte ein, ich wurde von der Bühne geholt, und zwei Herren trugen mich zum Entsetzen meiner Mutter auf ihren Schultern durch den Saal. Mehr noch als das lebensgefährliche Gedränge fürchtete ich die Blitzlichter der Pressefotografen. Nicht auszudenken, wenn mein Vater ein Foto von mir in der Zeitung sehen würde.
Blumen und Visitenkarten wurden mir zugesteckt, viele Leute baten mich um
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