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Memoiren 1902 - 1945

Memoiren 1902 - 1945

Titel: Memoiren 1902 - 1945 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leni Riefenstahl
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Stab». Ich hatte mich schnell an dieses neue, einfache Leben gewöhnt, es gefiel mir. In Sils Maria mußte ich nun vor allen Dingen ernsthaft Skilaufen lernen. Als Lehrer bestimmte Fanck unseren Kameramann. Meine Knöchelbrüche hatten mich unsicher gemacht. Schneeberger mußte viel Geduld aufwenden. Aber es ging von Tag zu Tag besser.
      Inzwischen entstanden stimmungsvolle Sequenzen. Dabei erfuhr ich, welcher Ausdauer es bei Naturaufnahmen bedarf. Meist machte die Sonne nicht mit. Einige Augenblicke schaute sie heraus - wollten wir dann drehen, verschwand sie wieder. So ging das viele Stunden, bis wir schließlich die Kamera verpackten und mit blauen Nasen und Ohren über die verharschten Schneehänge zurück ins Tal fuhren. Aber es gab auch Tage, an denen wir Glück hatten und herrliche Aufnahmen zustande brachten.
      Bis jetzt kannte ich die Berge nur von unten. Das sollte anders werden. Wir wollten Aufnahmen auf der Fornohütte machen. Von Maloja ging es durch ein langgestrecktes Tal hinauf. Unsere Gruppe bestand aus fünf Personen: Fanck, Trenker, der aus Bozen zurück war, Schneeberger, ein Träger und ich. Die Frühlingssonne brannte. Es war meine erste Bergtour, unter die Skier wurden Seehundfelle gespannt. Die unzähligen Serpentinen ermüdeten mich bald, der Schweiß rann mir von der Stirn, und meine Beine wurden immer schwerer. Endlich kam der letzte steile Hang, dann waren wir oben. Das Panorama eines ungeheuer weiten Horizonts war überwältigend. Für unsere Aufnahmen war es an diesem Tag schon zu spät, so mußten wir am nächsten Morgen mit der Arbeit beginnen. Die Hütte, unbewirtschaftet, war gerade groß genug, um uns aufzunehmen. Brot und Speck wurden ausgepackt, ein Feuer gemacht, Bergsteigergeschichten erzählt, und plötzlich hatten wir alle nur den einen Wunsch, möglichst bald schlafen zu gehen.
      Da die Hütte noch zu kalt war und wir nur wenige Decken hatten, zogen wir bloß die Bergstiefel aus. Der Träger mußte auf der Bank schlafen; es waren zwei übereinanderliegende Bettstellen vorhanden.
      Wie würde Fanck sie verteilen? Normal wäre es gewesen, wenn auf jeder Schlafstelle zwei Personen gelegen hätten. Fanck bestand darauf, allein oben zu schlafen. Trenker, Schneeberger und ich sollten uns zu dritt die untere Matratze teilen. Jeder wickelte sich in zwei Decken ein, dann legten wir uns hin. Nervöse Spannung herrschte im Raum. Ich konnte nicht einschlafen, auch Trenker nicht. Ab und zu hörte ich, wenn Fanck sich auf seinem Lager unruhig wälzte, das Knarren der Holzbretter. Der erste, der einschlief, war Schneeberger. Ich lag zwischen ihm und Trenker und wagte mich nicht zu bewegen. Aber nach stundenlangem Wachsein mußte mich die Müdigkeit überfallen haben. Da war mir, als ob ich Geräusche hörte, doch ich schlief wieder ein. Als ich aufwachte, merkte ich, daß mein Kopf auf Schneebergers Arm lag, der schlief tief. Ich richtete mich auf und entdeckte erschrocken, daß der Platz links neben mir leer war. Trenker war nicht mehr da. Ich leuchtete mit der Taschenlampe den Raum ab, konnte ihn aber nirgends sehen. Was war geschehen? Angst überfiel mich. Hatte ich mich im Schlaf vielleicht zu der Seite gedreht, auf der Schneeberger lag, konnte Trenker das falsch gedeutet und Eifersucht ihn gepackt haben? Sollte er wirklich auf und davon sein, wäre das der reine Wahnsinn. Ich weckte Schneeberger und Fanck. Sie stellten fest, daß Trenkers Rucksack und Skier fehlten. Er mußte anscheinend den Gletscher hinuntergefahren sein. Wir waren alle sehr betroffen. Fanck machte sich Vorwürfe, weil er in den letzten Tagen aus Spaß Trenker auf Schneeberger eifersüchtig gemacht hatte. Schon öfter hatte ich bei Fanck eine kleine sadistische und auch masochistische Ader feststellen können. Nun befanden wir uns in einer unmöglichen Situation. Ich war mir keiner Schuld bewußt, denn zu dieser Zeit waren meine Gefühle für Trenker noch ungetrübt, die für Schneeberger dagegen nur freundschaftlich, aber meine Wut galt Fanck. Hätte er Trenker nicht so gereizt wie ein Mephisto, so wäre dies alles nicht geschehen.
      Mißmutig tranken wir, immer noch fröstelnd, unseren Morgenkaffee, als plötzlich die Tür aufgestoßen wurde, Sonnenlicht in unsere Hütte fiel und Trenker lachend mit «Grüß Gott» hereinkam. Uns fielen Steine vom Herzen. Trenker tat, als sei er guter Laune, nahm Fanck auf den Arm, indem er ihm zurief: «Fancketoni, gell, host glabt, i kim nimma, ha, ha, ha, des

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