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Memoiren 1902 - 1945

Memoiren 1902 - 1945

Titel: Memoiren 1902 - 1945 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leni Riefenstahl
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auf solchen Gipfeln stehen.
      Seitdem uns Trenker nachts auf der Fornohütte verlassen hatte, hatten die Beziehungen zwischen ihm und mir einen Bruch erlitten, der sich mehr und mehr vertiefte. Am Beginn unserer Bekanntschaft hatte ich vor allem den Schauspieler Trenker in seiner Rolle bewundert, den Helden der Berge - von seinen Charaktereigenschaften wußte ich noch wenig. Erst als er damals zur Forno-Hütte zurückgekehrt war und sich so sehr verstellen konnte, ahnte ich, daß es da noch einen anderen Trenker gab, und ihm gegenüber wurde ich kritischer. Schon während der Aufnahmen bemerkte ich einiges, was mir nicht gefiel. Vor allem störte mich sein übergroßer Ehrgeiz. Er konnte sich schon aufregen, wenn er annahm, Fanck habe von mir ein paar Meter mehr gedreht als von ihm. Seine Eifersucht auf die Arbeit zwischen Fanck und mir wurde immer hitziger. Ich erkannte inzwischen, daß meine Beziehung zu ihm nur ein Strohfeuer gewesen war.
      Nachdem die Aufnahmen in Zermatt beendet waren, nahm ich sofort mein Tanztraining wieder auf. Ich befand mich in einem großen Zwiespalt. Im Tanz sah ich die Erfüllung meines Lebens, aber auch der Film hatte mich fasziniert. Noch versuchte ich, zum Tanz zurückzukehren.
      So stand ich nach einer Pause von eineinhalb Jahren wieder auf der Bühne. Mein erster Tanzabend fand im Schauspielhaus in Düsseldorf statt, dann trat ich im Frankfurter Schauspielhaus und wieder im Deutschen Theater in Berlin auf; Dresden, Leipzig, Kassel und Köln folgten. Der Erfolg stellte sich ein, aber ich spürte, daß ich inzwischen nicht weitergekommen war. Die Unterbrechung war zu lang gewesen. Aber von Abend zu Abend tanzte ich gelöster, wurde geschmeidiger und fühlte, daß ich es noch einmal schaffen könnte - da wurde ich noch einmal für den Film abberufen. Ich mußte meine Tournee abbrechen und in die Berge zurückkehren. Zum ersten Mal
wollte ich nichts mehr vom Film wissen. Aber ich war vertraglich gebunden und hätte auch Dr. Fanck nicht im Stich lassen können. Er bemühte sich, seine Gefühle, die immer noch gleich stark mir gegenüber waren, in spöttischen Humor umzusetzen, meist in Form von Gedichten, die er mir, auf kleinen Zetteln geschrieben, fast täglich zusteckte.

    Von Lawinen verschüttet

    J anuar 1916 - der zweite Winter dieses Films! Zuerst arbeiteten wir auf dem Feldberg. Dort ging die Arbeit unendlich langsam voran. Das Wetter war zu schlecht. Zwei, ja drei Wochen verstrichen, ohne daß wir auch nur einen einzigen Meter drehen konnten. Entweder ließ sich die Sonne nicht sehen oder sie schien so stark, daß der Schnee schwer wurde und für die Aufnahmen nicht genug stäubte. Die Mühen, unter denen unsere Naturaufnahmen entstanden, sind schwer zu schildern. Mit Tricks wurde nicht gearbeitet, und was es an Sensationen gab, war in Wirklichkeit meist viel gefährlicher, als es nachher auf der Leinwand aussah.
      Da stand beispielsweise im Manuskript eine Szene, in der die Darstellerin auf dem Weg zur Skihütte von einer Lawine verschüttet wird. Wohl kann man Lawinen loslassen, man weiß nur nicht, wie das endet. Ist man vorsichtig und läßt nur wenig Schnee hinunter, so wird die Lawine zu klein, nimmt man viel Schnee, so muß man unter Umständen die Teilnehmer nachher zusammensuchen, falls man sie überhaupt noch findet.
      Wir brauchten aber nur einmal eine ordentliche Lawine, und so fuhren Schneeberger und ich nach Zürs am Arlberg, wo wir auf der Flexenstraße, damals noch nicht untertunnelt, hofften, unsere Aufnahmen zu bekommen. Wir waren allein, Fanck wurde auf dem Feldberg noch zurückgehalten.
      Seit fünf Tagen schneite es unentwegt, die Flexenstraße war gesperrt. Kein Schlitten, kein Pferd, kein Mensch konnte sie passieren. Sie war extrem lawinengefährdet. Das war es genau, was wir brauchten. Aber es gelang uns nicht, einen Träger zu bekommen. Niemand war zu bewegen, mit uns zu gehen. Die Bergführer hielten es für Wahnsinn, auf die Flexenstraße zu gehen. Wir aber brauchten die Aufnahmen. Inzwischen war es April und die letzte Chance für den Film. Jeden Tag konnte der Schnee naß werden, dann war es zu spät.
      Wir beschlossen, mit der Sache allein fertigzuwerden. Schneeberger trug die Kamera mit dem Stativ, ich den Koffer mit den Optiken.
Es stürmte so sehr, daß man nicht zehn Meter weit sehen konnte. Langsam kämpften wir uns gegen den Schneesturm bis zur Flexenstraße durch. Dort lösten sich von den Felsen ständig kleine und

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