Memoiren 1902 - 1945
solches Wüten der Elemente erlebt. Wir wurden buchstäblich in die Luft geschleudert. Nach wenigen Minuten war von der Hütte nichts mehr zu sehen, die Spuren hinter uns waren verweht. Wir befanden uns in einem brodelnden, ohrenbetäubenden Hexenkessel und mußten uns an den Händen festhalten, um uns nicht zu verlieren. Die Skier glitten ins Ungewisse. Längst bereuten wir dieses unbesonnene Abenteuer, wagten es aber
nicht auszusprechen. Mein Gesicht war erstarrt, an den Haaren hingen Eiszapfen herunter, die Hände schmerzten. Ein «Zurück» gab es nicht mehr. Jede Orientierung war unmöglich, und wie leicht konnten wir in Lawinenhänge geraten...
In diesem Augenblick höchster Not erschien es uns wie ein Wunder, als uns aus dem grauen Nebel drei Menschen entgegenkamen. Ich glaubte an eine Fata Morgana. Aber sie kamen tatsächlich auf uns zu und, als sie ganz nah bei uns waren, erkannte ich den Engadiner Führer, Caspar Grass, der mit zwei Touristen schon seit sieben Stunden zur Diavolezzahütte unterwegs war. Caspar Grass schrie uns an: «Seid ihr wahnsinnig geworden! Ihr kommt nie hinunter! Der ganze Weg ist lawinengefährdet. Wir sind selbst nur mit großer Not aus einer Lawine herausgekommen!»
Wir waren froh, daß wir nur zu gehorchen brauchten, schlossen uns den dreien an und erreichten nach zwei Stunden wieder die Hütte. Hätten wir Caspar Grass nicht getroffen, wären wir nie wieder aus der Weißen Hölle herausgekommen.
Den Krach, den wir gefürchtet hatten, gab es nicht. Alle waren froh, daß wir noch am Leben waren. Sie hatten wenig Hoffnung gehabt, uns wiederzusehen.
Als wollte der Wettergott alles wieder gutmachen, legte sich plötzlich der Sturm, und die Sonne strahlte vom blauen Himmel. In großer Eile wurden meine letzten Aufnahmen abgedreht, und endlich konnte ich die Eiswelt verlassen.
Die schwierigen alpinen Aufnahmen ohne die Hauptdarsteller übergab Fanck seinem sehr begabten Kameramann Richard Angst, der mit den kühnen Schweizer Bergführern David Zogg und Beni Führer die unglaublichsten Szenen im Bauch des Gletschers filmte. Hierfür mußten sich die beiden mit den Fackeln in der Hand nachts über fünfzig Meter tief in den Gletscherspalten abseilen. Eine sportliche Höchstleistung. Nur so gelang es dem Kameramann, der die tollkühnen Szenen mitmachen mußte, diese einzigartigen Bilder einzufangen. Das bewegte Licht der Magnesium-Fackeln in den dunklen, tiefen Eisschlünden erzeugte eine so phantastische Stimmung unwirklicher Schönheit, daß bei diesen Aufnahmen im Kino fast immer geklatscht wurde.
«Die schwarze Katze»
S o froh ich war, wieder daheim zu sein, so sehr bedrückte mich die Einsamkeit. Schneefloh war schon seit einigen Wochen bei Außen aufnahmen in Ungarn. Die UFA drehte dort «Ungarische Rhapsodie» mit Lil Dagover und Willy Fritsch in den Hauptrollen.
Fanck, der nun auch wieder in Berlin war, schrieb nach seinem nicht verwirklichten «Wintermärchen» an seinem besten Manuskript, «Die schwarze Katze», ein Dolomiten-Kriegsfilm nach einem Erlebnis Schneebergers. Die große Sprengung am Casteletto war das Hauptthema.
Schneeberger hatte als Leutnant die Stellung mit sechzig Mann bis zum letzten Augenblick gehalten, dann wurde sie von den Italienern in die Luft gesprengt. Alle seine Kameraden wurden mit ihm verschüttet. Mit acht Mann konnte er aus den Trümmern gerettet werden, und mit dieser kleinen Schar von Kämpfern gelang es ihm, die Stellung bis zu seiner Ablösung zu halten. Für diese Leistung hatte er eine hohe Auszeichnung erhalten.
Diese Erlebnisse hatte er an der Dolomitenfront niedergeschrieben und sie Fanck übergeben. Eine weitere wahre Begebenheit aus diesem österreichisch-italienischen Gebirgskrieg war das tragische Erlebnis der Tochter des bekannten Bergführers Innerkofler, das Fanck mit der Geschichte Schneebergers in seinem Manuskript verband. So bot sich mir die Chance, endlich einmal eine dramatische Rolle zu spielen.
Die Tochter Innerkoflers wurde wegen ihrer Kletterkünste die «Schwarze Katze» genannt. In der Filmhandlung kletterte sie mit ihrem Vater in die Nähe eines italienischen Militärstützpunktes, den sie für die Österreicher auskundschaften sollten. Ihr Vater wird dabei erschossen, aber die «Schwarze Katze» rächt sich. Sie wird Spionin, kriegt den Termin der italienischen Sprengung heraus und kann so die Österreicher rechtzeitig warnen. Sie selbst wird ein Opfer dieser Sprengung.
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