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Memoiren 1902 - 1945

Memoiren 1902 - 1945

Titel: Memoiren 1902 - 1945 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leni Riefenstahl
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schaute mich, ohne eine Reaktion zu zeigen, ruhig an.
      «Ich kann es wirklich nicht», sagte ich nun fast entschuldigend, «erst vor zwei Tagen habe ich ein sehr ehrenvolles Angebot der katholischen Kirche abgelehnt. Auftragsfilme werde ich nie machen können, dazu habe ich kein Talent - ich muß eine sehr persönliche Beziehung zu meinem Thema haben, sonst kann ich nicht kreativ sein.» Immer noch schwieg Hitler. Ermuntert fuhr ich nach einer Pause fort: «Bitte, verstehen Sie meinen Besuch nicht falsch, ich bin überhaupt nicht an Politik interessiert. Ich könnte auch niemals ein Mitglied Ihrer Partei werden.»
      Jetzt schaute Hitler mich überrascht an: «Ich würde niemanden zwingen», sagte er, «in meine Partei einzutreten. Wenn Sie älter und reifer werden, können Sie vielleicht meine Ideen verstehen.»
      Zögernd sagte ich: «Sie haben doch Rassen-Vorurteile. Wenn ich als Inderin oder Jüdin geboren wäre, würden Sie überhaupt nicht mit mir sprechen. Wie sollte ich für jemand arbeiten, der solche Unterschiede zwischen den Menschen macht.»
      Hitler erwiderte: «Ich wünschte, meine Umgebung würde genauso unbefangen antworten wie Sie.»
      Das war das Gespräch, das zwischen uns stattfand.
      Inzwischen waren Brückner und Schaub schon einige Male zu uns
    gekommen und mahnten Hitler, er müsse zu seiner Wahlversammlung aufbrechen. Auch meine Absicht war es, mich zu verabschieden, da ich noch in der Nacht nach Hamburg wollte. Hitler aber sagte: «Bitte bleiben Sie doch noch hier. Es ist so selten, daß ich mit einer echten Künstlerin sprechen kann.»
      «Es tut mir leid, aber ich muß rechtzeitig morgen auf unserem Schiff sein.»
      «Machen Sie sich keine Sorgen», unterbrach er mich, «Sie werden morgen früh dort sein. Ich werde ein Flugzeug für Sie organisieren.»
      Dann gab er Schaub den Auftrag, für mich ein Zimmer zu besorgen. Bevor ich noch widersprechen konnte, kamen die Autos, alles drängte in die Wagen. Die Zeit für den Weg zur Wahlversammlung war längst überschritten. Ich blieb betroffen mit Schaub zurück.
      In dem kleinen Fischerort Horumersiel gab es einen Gasthof. Dort wohnte Hitler mit seinen Leuten. Unten war die Wirtsstube, im oberen Stockwerk lagen die Zimmer. Da Schaub kein freies Zimmer für mich fand, räumte er mir seines ein und suchte sich irgendwo anders eine Unterkunft.
      Noch vor Dunkelheit kam Hitler mit seinem Gefolge zurück, die Wagen mit Blumen überladen. Beim Abendessen herrschte beste Stimmung, auch bei Hitler. Er sagte, noch nie sei es vorgekommen, daß sich bei solchen Veranstaltungen eine Frau unter ihnen befand, und daß es angenehm sei, nicht immer nur von Männern umgeben zu sein.
      Nach dem Essen gingen wir alle hinaus, die meisten spazierten Richtung Meer. Hitler wartete eine Weile, dann bat er mich, ihn zu begleiten. Wieder folgten in einiger Entfernung die beiden Adjutanten. Mir war irgendwie sonderbar zumute, aber ich wollte nicht unhöflich sein und den Spaziergang ablehnen. Hitler war ganz entspannt und sprach von seinem privaten Leben und von Dingen, die ihn besonders interessierten. Das waren vor allem Architektur und Musik - er sprach über Wagner, über König Ludwig und über Bayreuth. Nachdem er darüber eine Zeitlang geredet hatte, veränderte sich plötzlich sein Ausdruck und seine Stimme. Leidenschaftlich sagte er: «Aber mehr als das alles erfüllt mich meine politische Aufgabe. Ich fühle in mir die Berufung, Deutschland zu retten - ich kann und darf mich dem nicht entziehen.»
      Das ist der andere Hitler, dachte ich, der, den ich im Sportpalast erlebt hatte. Es war dunkel, und ich konnte auch die Männer hinter uns nicht mehr sehen. Wir gingen stumm nebeneinander. Nach einer längeren Pause blieb er stehen, sah mich lange an, legte langsam seine Arme um mich und zog mich an sich. Ich war bestürzt, denn die
se Wendung der Dinge hatte ich mir nicht gewünscht. Er schaute mich erregt an. Als er merkte, wie abwehrend ich war, ließ er mich sofort los. Er wandte sich etwas von mir ab, dann sah ich, wie er die Hände hob und beschwörend sagte: «Ich darf keine Frau lieben, bis ich nicht mein Werk vollendet habe.»
      Ich war zutiefst betroffen. Dann gingen wir, ohne noch irgendwelche Worte zu wechseln, zum Gasthof zurück. Dort wünschte er mir etwas distanziert «Gute Nacht».
      Ich fühlte, daß ich ihn verletzt hatte, und bereute zu spät, daß ich gekommen war.
      Am nächsten Morgen

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