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Memoiren 1902 - 1945

Memoiren 1902 - 1945

Titel: Memoiren 1902 - 1945 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leni Riefenstahl
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unserer Begrüßung. Wir gingen mit ihm an Land. Wie angenehm, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben! Eine Horde von Hunden stürzte uns entgegen - Hunde, soweit man sehen konnte. Alle machten sie einen ausgehungerten Eindruck.
      Mein Auge war entzückt von dem herrlichen Farbenzauber, aber meine Nase stellte fest, daß es schrecklich nach Tran roch. Die Fischabfälle lagen nur so herum, und auch die Hunde hinterließen Spuren. Die ganze Luft war vom Trangeruch erfüllt. Wir hatten es mit unserer Ankunft gut getroffen: Gerade wurde von einem Walfischfänger ein riesengroßer Wal an Land gezogen, und wir erfuhren, daß so ein Fang nur alle paar Jahre gelingt. Unter den Eskimos herrschte große Aufregung. Monatelang konnten sie nun in Umanak von diesem einzigen Fisch leben. Sein mächtiger Leib wurde soweit wie möglich auf das Land gezogen, dann liefen die Menschen auf dem Wal hin und her und zerschnitten ihn in mehr oder weniger große Würfel. Die Stiefel waren vom Blut getränkt, die Gesichter vor Arbeitseifer strahlend, von Schweiß bedeckt. Gierig fraßen die hungrigen Hunde die Eingeweide und den Abfall des Wals, so gierig, daß einige von ihnen am nächsten Tag mit voll gefressenen Leibern tot dalagen. Das Walfleisch wurde gesalzen und zum Trocknen aufgehängt. Der Geruch lag wie eine schwere Wolke über der ganzen Küste.
      Wir flohen auf das Schiff zurück, auf dem man unterdessen mit dem Ausladen begonnen hatte. Da sahen wir erst, welche Unmenge Kisten der Bauch der «Borodino» gefaßt hatte. Acht Tage dauerte es, um alles an Land zu bringen. Solange durften wir noch an Bord bleiben.
      Als Udets drei Maschinen ausgepackt und zusammenmontiert wurden, machten die Eskimos große Augen. Schon nach wenigen Tagen wurde die erste Wassermaschine flottgemacht, und Udet startete zu einem Probeflug. Ein herrlicher Anblick, wie er zwischen den Eisbergen hindurch das Wasser verließ und dann in eleganten Schleifen um die schwimmenden Eisburgen kreiste. Die Eskimos kamen aus dem Staunen nicht heraus.
      Dann war das Ausladen beendet, und wir mußten Abschied von der «Borodino» nehmen. Fast war es ein schmerzliches Gefühl, das Schiff abdampfen zu sehen und zu wissen, daß wir nun für fast fünf Monate an dieser Küste im Norden Grönlands ausgesetzt waren, ohne Verbindung zu Europa - in einem fremden Land und unter Menschen, die unserer Welt ganz fern standen. Wir hatten hier nicht einmal eine Hütte. Wir mußten in kleinen Zelten schlafen und konnten auch nicht, wie in den Bergen, schnell in die Zivilisation zurück, wenn uns das Verlangen nach einem warmen Bad überkam. Nach denklich blickten wir der Rauchfahne unseres Schiffes nach, bis es hinter den Eisbergen verschwunden war.
      Auf unserem Lagerplatz, zwanzig Minuten vom Trangeruch Umanaks entfernt, war eine Unmenge Holzkisten gestapelt. Zuerst wurden die Zelte und Werkzeugkisten ausgepackt, damit wir unsere Schlafstellen aufbauen konnten, dann begann ein Run, um den besten möglichst windstillen Zeltplatz mit der schönsten Aussicht zu erobern. Wir wußten nicht, ob es Tag oder Nacht war. Unaufhörlich strahlte die Sonne. Aus leer gewordenen Holzkisten wurden primitive Möbel gezimmert. Tische, Stühle, kleine Kommoden kamen zum Vorschein und etliche dieser Dinge wurden hübsch mit Wachstuch bespannt. Bei einem Eskimo handelte ich mir ein Hundefell als Bettvorlage ein.
      Mit der Zeit wurde unsere Zeltstadt immer großartiger. Wir verfügten sogar über eine eigene Küche. Zwei kleine Zelte wurden als Dunkelkammern eingerichtet, zwei große als Eßzelte aufgestellt, in denen wir gemeinsam unsere Mahlzeiten einnahmen. Aus leeren, schwimmenden Benzinfässern hatte unser tüchtiger Aufnahmeleiter einen fabelhaften Landungssteg gebaut, während Dr. Sorge mit einer Schar gutwilliger Eskimos Eisbärzwinger errichten sollte.
      Filmfremde Menschen werden sich fragen, warum wir Eisbären nach Grönland mitnahmen, wo es sie doch im Eismeer zur Genüge gibt. Fanck hatte die Frage schon beantwortet. Wie stellt sich ein Laie die Aufnahme folgender Szene vor?
      «Während die Expeditionsmitglieder ahnungslos in ihren Zelten schlafen, kommt ein Eisbär ans Ufer geschwommen, um die Zelte zu überfallen.» Glaubt wirklich jemand, daß solche Aufnahmen mit freilebenden Bären zu machen wären? Für einen Kulturfilm ohne Spielhandlung könnten wir tagelang auf Eisbären Jagd machen, bis wir einen aufstöberten. Und hätten wir wirklich einen

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