Memoiren 1902 - 1945
Hitler waren stärker.
Mit ein paar Zeilen teilte ich Fanck mit, ich könnte wegen einer unvorhergesehenen Sache nicht zum Lehrter Bahnhof kommen, würde aber mit Sicherheit vor Auslaufen des Schiffes in Hamburg eintreffen. «Bitte, macht Euch keine Sorgen, ich komme bestimmt.» Ich wußte, daß das Schiff erst in zwei Tagen den Hamburger Hafen verlassen würde.
Während am nächsten Morgen die Herren der Universal-Film, die
Expeditionsteilnehmer und die Journalisten am Lehrter Bahnhof vergebens auf mich warteten und ohne mich abreisen mußten, fuhr ich von einem anderen Bahnhof nach Wilhelmshaven.
Ich war so durcheinander, daß ich während der Fahrt weder Zeitungen noch ein Buch lesen konnte. Warum hatte ich mich auf so etwas eingelassen? Ich wußte es nicht. Ich handelte wie unter einem inneren Zwang. Je mehr sich der Zug Wilhelmshaven näherte, desto unruhiger wurde ich. Auf keinen Fall, das schwor ich mir, wollte ich mich von Hitler beeinflussen lassen, auch dann nicht, wenn er einen günstigen Eindruck auf mich machen sollte. Wo viel Sonne ist, dachte ich, ist auch viel Schatten, und mir fielen die Worte Manfred Georges ein: «Der Mann ist ein Genie - aber gefährlich.»
Pünktlich um vier Uhr nachmittags stieg ich in Wilhelmshaven aus und schaute mich auf dem Bahnsteig um. Ein großgewachsener Mann kam auf mich zu und stellte sich als Brückner, Adjutant des Führers, vor. Er war in Zivil, da, wie ich später erfuhr, die SA Uniformverbot hatte. Er führte mich zu einem schwarzen Mercedes, in dem einige Männer saßen, ebenfalls in Zivil. Den Wagen fuhr ein Herr Schreck. Die beiden anderen Männer wurden mir als Sepp Dietrich und Dr. Otto Dietrich vorgestellt.
Während der Fahrt, die eine knappe Stunde dauerte, fragte ich Herrn Brückner, wieso ich so schnell eine Antwort erhalten konnte.
Brückner: «Es war tatsächlich ein großer Zufall. Wenige Stunden, bevor ich die Post aus München erhielt, bin ich mit dem Führer am Strand spazierengegangen: Wir sprachen auch über Filme. Da sagte er: ‹Das Schönste, was ich jemals im Film gesehen habe, war der Tanz der Riefenstahl am Meer im ,Heiligen Berg’.› Als ich dann im Hotel die Post sortierte und Ihren Namen als Absender sah, habe ich den Brief herausgenommen und ihn dem Führer gebracht. Nachdem er ihn gelesen hatte, sagte er: ‹Versuchen Sie, Fräulein Riefenstahl noch zu erreichen, ich möchte sie gern kennenlernen.› So war es und nicht anders.» Ich fragte mich, war dies Zufall oder Schicksal?
In der Nähe des Strandes hielt der Wagen. Hitler kam auf mich zu und begrüßte mich. Aus der Gruppe einiger im Hintergrund stehender Leute sprang ein Mann hervor, der offensichtlich die Begrüßung fotografieren wollte. Doch Hitler winkte ab: «Lassen Sie das, Hoffmann, das könnte Fräulein Riefenstahl schaden.» Ich begriff das nicht. Warum sollte mir das schaden?
Auch Hitler war in Zivil. Er trug einen dunkelblauen Anzug mit weißem Hemd und eine unauffällige Krawatte. Sein Kopf war unbedeckt. Er wirkte natürlich und ungehemmt, wie ein ganz .normaler Mensch, auf keinen Fall wie ein kommender Diktator, eher beschei den. Das hatte ich nicht erwartet. Dieser Hitler hatte mit dem, den ich im Sportpalast erlebt hatte, anscheinend nichts gemeinsam.
Wir gingen am Strand spazieren. Das Meer war ruhig, und für diese Jahreszeit war die Luft schon warm. In kurzem Abstand folgten Brückner und Schaub. Hitler hatte ein Fernglas dabei und beobachtete Schiffe, die am Horizont zu sehen waren. Dabei erzählte er, was das für Schiffe seien, und ich hatte den Eindruck, daß er sich mit Schiffstypen anscheinend gut auskannte.
Bald kam er auf meine Filmtätigkeit zu sprechen. Begeistert äußerte er sich über meinen «Tanz an das Meer» und sagte, daß er alle Filme, in denen ich spielte, gesehen habe. «Den stärksten Eindruck», sagte er, «hat auf mich Ihr Film ‹Das blaue Licht› gemacht, vor allem auch deshalb, weil es ungewöhlich ist, daß sich eine junge Frau gegen die Widerstände und den Geschmack der Filmindustrie durchzusetzen vermochte.»
Nun war das Eis gebrochen. Hitler stellte viele Fragen, wobei ich wahrnahm, daß er über die gerade laufenden Filme gut informiert war. Ich kam ins Erzählen, und er hörte lange und geduldig zu.
Plötzlich sagte er unvermittelt: «Wenn wir einmal an die Macht kommen, dann müssen Sie meine Filme machen.»
«Das kann ich nicht», sagte ich impulsiv. Hitler
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