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Memoiren 1902 - 1945

Memoiren 1902 - 1945

Titel: Memoiren 1902 - 1945 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leni Riefenstahl
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schonungslos zu beantworten. George hatte in unseren Gesprächen durchaus Verständnis, daß ich von Hitlers Persönlichkeit beeindruckt war. Ich machte allerdings einen entscheidenden Unterschied zwischen Hitlers politischen Vorstellungen und seiner Person. Das waren für mich zwei ganz verschiedene Dinge. Seine rassistischen Ideen lehnte ich ohne Einschränkung ab, deshalb hätte ich auch nie in die NSDAP eintreten können, seine sozialistischen Pläne begrüßte ich. Die Vorstellung, daß es Hitler gelingen könnte, die ungeheure Arbeitslosigkeit, die schon über sechs Millionen unglücklich und verzweifelt machte, abzubauen, war für mich das Entscheidende. Die Rassenlehre, so glaubten damals viele, sei nur eine Theorie und nichts als Wahlpropaganda. Trotz der Verwirrung, in die mich das Auftreten Hitlers im Sportpalast gestürzt hatte, traten die Eindrücke dieses Abends bald wieder in den Hintergrund. Zu dieser Zeit - im Frühjahr 1932 - haben mich meine zukünftigen Filmpläne mehr als die Politik beschäftigt. Da erhielt ich aus Hollywood ein Telegramm, in dem mir die Universal-Film ein interessantes Angebot machte. Ich sollte in dem neuen Fanckfilm die weibliche Hauptrolle nicht nur in der deutschen, sondern auch in der amerikanischen Version übernehmen. Es ging um eine deutsch-amerikanische Co-Produktion. Die Aufnahmen sollten in der Arktis gemacht werden.
      Mit widerstreitenden Gefühlen las ich das Telegramm und ebenso die folgenden Depeschen, die immer dringlicher meine Antwort erwarteten. Ich konnte mich aber zu einer Zusage nicht entscheiden. Kein Zweifel, Grönland würde ein Erlebnis sein, aber der Erfolg des «Blauen Lichts» bot mir die Chance, selbständig weitere Filme zu machen. Und darauf sollte ich nun verzichten? So reizvoll das Angebot war, ich lehnte es ab.
      Dr. Fanck kam meine Absage gelegen. Seit dem Siegeszug meines Films kam es zu einer weiteren Entfremdung zwischen uns. Er hat meinen Erfolg nie überwunden.
      Aber die «Universal» wollte mich um jeden Preis haben und bot mir nun eine abenteuerliche Gage an. Es war nicht in erster Linie das Geld, daß ich mich schließlich für das Angebot entschied, mehr noch reizte mich die nie wiederkehrende Gelegenheit, Grönland kennenzulernen. Gewiß spielte auch die Chance, durch die amerikanische Version in den USA bekannt zu werden, eine Rolle. Der letzte Anstoß aber war emotional. Die Aussicht, noch einmal und vielleicht zum letzten Mal gemeinsam mit meinen früheren Mitarbeitern eine solche Expedition zu erleben, war ausschlaggebend.
      Ich sollte eine Fliegerin darstellen, deren Mann, ein Wissenschaftler, im Grönland-Eis verschollen war. Die vorgesehenen Aufnahmen waren außerordentlich schwierig. Knud Rasmussen, der ungekrönte König der Eskimos, halb Däne, halb Eskimo, konnte für diesen Film gewonnen werden. Seine Kenntnisse über sein Heimatland Grönland und seine Beziehungen zu den Eskimos waren für das Gelingen dieses Films von unschätzbarem Wert. Paul Kohner, dem Produktionsleiter, gelang es auch noch, zwei Mitglieder der Wegener-Expedition zu verpflichten, die Wissenschaftler Dr. Loewe und Dr. Sorge.
      Während die Vorbereitungen zu diesem Film auf vollen Touren liefen, verfolgte mich eine fixe Idee. Nach der Rede Hitlers im Sportpalast hatte ich den Wunsch, ihn persönlich kennenzulernen. Ich wollte mir eine eigene Meinung über ihn bilden. War er ein Scharlatan oder tatsächlich ein Genie? Ich wollte einfach mehr über ihn wissen. Je näher der Termin unseres Aufbruchs nach Grönland kam, desto stärker wurde mein Wunsch, diesem so umstrittenen Mann noch vor meiner Abreise zu begegnen.
      Obgleich es so gut wie aussichtslos erschien, rechtzeitig eine Antwort zu erhalten, schrieb ich an Hitler einen Brief. Ich weiß noch jedes Wort, denn ich habe diesen Brief später oft zitieren müssen. Am
    18. Mai 1932 warf ich meinen Brief in den Kasten:

    Sehr geehrter Herr Hitler,
    vor kurzer Zeit habe ich zum ersten Mal in meinem Leben eine po litische Versammlung besucht. Sie hielten eine Rede im Sportpalast. Ich muß gestehen, daß Sie und der Enthusiasmus der Zuhörer mich beeindruckt haben. Mein Wunsch wäre, Sie persönlich kennenzuler nen. Leider muß ich in den nächsten Tagen Deutschland für einige Monate verlassen, um in Grönland zu filmen. Deshalb wird ein Zu sammentreffen mit Ihnen vor meiner Abreise wohl kaum noch mög lich sein. Auch weiß ich nicht, ob dieser Brief jemals in Ihre Hände gelangen wird.

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