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Memoiren 1902 - 1945

Memoiren 1902 - 1945

Titel: Memoiren 1902 - 1945 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leni Riefenstahl
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frühstückten wir alle zusammen im Gastzimmer. Hitler erkundigte sich, wie ich geschlafen hätte, war aber gegen gestern schweigsam. Er wirkte abwesend. Dann fragte er Brückner, ob das Flugzeug bereit sei. Brückner bestätigte es, und Hitler begleitete mich die Stufen hinunter. Dort verabschiedete er sich mit einem Handkuß und den Worten: «Kommen Sie gesund zurück und erzählen Sie mir von Ihren Grönlanderlebnissen.»
      «Ich melde mich nach meiner Rückkehr», sagte ich, «seien Sie vorsichtig vor einem Attentat.»
      Seine Stimme war schneidend, als er antwortete: «Nie wird mich die Kugel eines Schuftes treffen.»
      Wir fuhren ab. Als ich mich, ehe der Wagen in die Kurve bog, noch einmal umwandte, stand Hitler immer noch an derselben Stelle und schaute uns nach.

    «SOS Eisberg»

    A m Vormittag des 14. Mai befand ich mich schon an Deck unseres englischen Schiffes. Es hieß «Borodino». Mit großer Erleichterung wurde ich von unseren Expeditionsmitgliedern begrüßt. Alle wollten wissen, warum ich nicht mit ihnen gefahren war und was geschehen sei. Vorläufig verriet ich mein Geheimnis noch nicht. Dr. Fanck war ernstlich böse auf mich, was sich aber bald legte, da er mit Arbeit und Problemen überlastet war. Außerdem bedeutete mein verspätetes Eintreffen ohnedies keinen Schaden, da die «Borodino» einen Tag später als geplant auslief. Nur Paul Kohner, unser netter Produktionsleiter, später in Hollywood erfolgreicher Agent großer Stars, hat mir meine damalige Sympathie für Hitler nie verziehen.
      Als am nächsten Morgen das Schiff aus Hamburg auslief, bewegte uns alle wohl die gleiche Frage: Wie wird es in Deutschland aussehen, wenn wir wieder zurück sind?
      Die «Borodino» gehörte uns Filmleuten ganz allein. Außer uns war nur die Schiffsmannschaft an Bord. Vom Kapitän erfuhr ich, es sei etwas Außergewöhnliches, daß die dänische Regierung uns die Erlaubnis gab, nach Grönland zu reisen. Nicht einmal Dänen erhielten die Genehmigung, weil die Eskimos vor Krankheiten und einer für sie schädlichen Zivilisation geschützt werden sollten. Nur wissenschaftliche Expeditionen durften grönländischen Boden betreten.
      Wir Bergmenschen fanden die See großartig. Nach den ersten drei Tagen hatten wie die Seekrankheit hinter uns und genossen die Ruhe auf Deck. Nun gab ich auch mein Geheimnis preis und erzählte meinen Freunden von meiner Begegnung mit Hitler. Wie in Deutschland waren auch hier die Meinungen über ihn geteilt. Einige waren begeisterte Anhänger, andere skeptisch, die meisten waren desinteressiert.
      Große Aufregung auf Deck, die ersten Walfische wurden gesichtet. Ihre Flossen tauchten hinter dem Heck des Schiffes auf, für uns Landratten eine Sensation. Stärker aber wirkte der erste Eisberg, der vom Horizont auf uns zuzusegeln schien. Diese Begegnung war mehr als ein ungewohntes Bild. Wir fühlten, dort schwimmt unser Film. Auf einem solchen bleichen Sockel, der an uns vorüberzog, würden wir die nächsten Monate verbringen.
      Dann kamen mehr und immer mehr Eisberge in Sicht, in phantastischen Formen und scheinbar unerschütterlicher Festigkeit. Unterdessen wurden die Nächte immer kürzer. Schließlich erlebten wir Tag und Nacht die Sonne.
      Eines Morgens schaute ich aus dem Bullauge meiner Kabine und sah zu meinem größten Erstaunen, daß wir vor dem Festland lagerten. Und schon hörte ich draußen rufen: «Umanak, Umanak!»
      Wir waren am Ziel, elf Tage waren wir unterwegs gewesen. Schnell wickelte ich mich aus den Decken und stürzte hinaus an die Reling. Was für eine Überraschung! Ein großer felsiger Berg, dessen Spitze mindestens über tausend Meter über dem Meeresspiegel emporragte; am Fuß dieses Berges lag eine kleine Siedlung. In schmalen Kajaks kamen die Eskimos auf unser Boot zugeschossen. Bald kletterten sie an der Falleiter hinauf und grinsten uns an. Sie ahnten nicht, daß wir viele Monate unter ihnen leben wollten.
      So also sah Grönland aus, gar nicht unfreundlich, gar nicht grau, im Gegenteil, eine zarte grüne Färbung lag über dem Land. Und es war auch nicht eiskalt, man konnte im leichten Mantel Spazierengehen.
      Unser Schiff schien von großen Eisbergen ringsum eingeschlossen. Es war eine großartige Leistung unseres englischen Kapitäns, den 2000-Tonnen-Frachter unbeschädigt durch dieses Eislabyrinth hindurchzusteuern.
      Der Verwalter von Umanak, der nur 150 Einwohner zählenden Kolonie, ein Eskimo, kam zu

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