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Memoiren 1902 - 1945

Memoiren 1902 - 1945

Titel: Memoiren 1902 - 1945 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leni Riefenstahl
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einheimischen Eisbären gesichtet, würde er sich, so schnell er nur kann, aus dem Staub machen. Im günstigsten Fall bekämen wir einen schwimmenden oder kletternden Eisbären vor die Kamera. Schließlich konnte sich nicht ein Teilnehmer der Expedition, allein aus dem Wunsch, alles möglichst echt zu zeigen, von einem Eisbären auffressen lassen. Kein Mensch auf der Welt würde es schaffen, in der Arktis schwimmende Eisbären drehbuchgerecht zu dirigieren.
      Übrigens waren unsere drei Bären keineswegs zahm wie Hunde. Es handelte sich um ausgewachsene, wilde Burschen, vielleicht sogar wilder als solche, die in Freiheit leben. Nicht einmal ihr Hamburger Wärter wagte es, in den Käfig zu greifen oder gar die Käfigtür zu öffnen. Deshalb wußten wir auch noch gar nicht, ob uns die vorgesehenen Spielszenen gelingen würden. Um die Tiere nicht die ganze Zeit über im Käfig zu halten, versuchten wir, ihnen einen Freiluftzwinger zu bauen. Von drei Seiten standen uns Felsen zur Verfügung, die bei Flut allerdings nur zwei Meter über das Wasser hinausragten. Die vierte Seite des Zwingers bildete das offene Meer. Diesen Ausgang mußten wir durch ein großes Drahtnetz absperren. Das Netz reichte vier Meter unter den Wasserspiegel bis zum Boden der Bucht. Auf diese Weise glaubten wir sicher zu sein, daß die Bären uns nicht entkommen würden.
      Da kam für Tommy, dem mächtigsten unserer Bären, der große Augenblick, als seine Käfigtür geöffnet wurde. Vorsichtig streckte er den Kopf hinaus, schaukelte ihn ein bißchen und ließ sich dann ins Wasser plumpsen, wo er mit begreiflichem Wohlbehagen den Schmutz seiner langen Gefangenschaft aus dem Fell spülte. Seine beiden Kollegen in den anderen Käfigen sahen neidvoll zu. Aber bald merkten wir, daß wir Tommy unterschätzt hatten. Zuerst versuchte er, die Felsen hinaufzuklettern, Steinwürfe trieben ihn zurück ins Wasser. Wir ahnten, daß die Sache mit dem Zwinger nicht funktionieren würde. Denn schließlich konnte nicht immer jemand auf dem Felsen stehen und das Tier zurückjagen. Aber Tommy hatte schon den Ausweg entdeckt. Er tauchte und suchte nach einer Stelle, an der er hindurchschlüpfen konnte. Das Drahtnetz reichte bis zu dem flachen Grund. Nachdem er kein Loch entdeckte, grub er mit seinen Tatzen den weichen Schlamm weg, und schon war er nach draußen entwischt. Wir stimmten ein Kriegsgeschrei an, und um so schneller paddelte er hinaus ins Polarmeer. Sofort fuhr ihm der Eskimo Tobias, ein kühner Eisbärjäger, der schon zur Wegener-Expedition gehörte, in seinem Kajak nach. Tatsächlich gelang es seiner Behendigkeit, den Bären zurückzutreiben. Aber in den Käfig ging Tommy nicht mehr hinein, das beste Seehundstück konnte ihn nicht dazu bewegen. Anscheinend vergnügt schwamm er herum, zwei Männer mußten aufpassen, daß jeder Ausbruchversuch vereitelt wurde.
      Wir alle schliefen in diesen Tagen schlecht, weil wir jedes Geräusch mit unserem Eisbären in Verbindung brachten. Endlich, am vierten Tag, gab Tommy den Kampf gegen den knurrenden Magen auf und trottete in seinen Käfig zurück. Im gleichen Augenblick klappte das Gatter zu.
      Mit der einzigen Ausnahme einiger Eskimoszenen spielte sich nach dem Drehbuch unsere ganze Filmarbeit auf Eisbergen und Eisschollen ab. Die Aufgabe war also, einen Eisberg ausfindig zu machen, den man unter möglichst geringen Gefahren besteigen konnte. Da stündlich unzählige Eisberge an Umanak vorüberzogen, war Auswahl genug da, nur zogen diese Berge eben vorüber und blieben nicht fest liegen. Sie hatten eine solche Geschwindigkeit, daß sie sich innerhalb weniger Stunden an die hundert Kilometer von unserem Lagerplatz entfernten.
      Da gab es noch ein anderes Problem. Wir hatten ja nicht nur einen Tag auf dem Eisberg zu drehen, sondern einige Wochen. Solange aber blieb kein Eisberg am Leben. Ununterbrochen stürzten von seiner Kante große Stücke ins Meer, dadurch verändert sich seine Lage, er kippt zur Seite und beginnt zu trudeln - oder er stellt sich einfach auf den Kopf.
      Eisberge sind kein sicherer Boden unter den Füßen, ich halte sie für gefährlicher als Gletscher. Manchmal ist das Getöse, das ihre Aufsplitterungen und Kalbungen hervorrufen, so stark, daß man glaubt, Kanonendonner eines Schlachtschiffes zu hören. Keiner von uns konnte sich vorstellen, daß man ein so wackliges Gestell betreten, geschweige denn auf ihm arbeiten konnte. Das Gesicht unseres Regisseurs wurde von Tag zu Tag

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