Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Memoiren 1902 - 1945

Memoiren 1902 - 1945

Titel: Memoiren 1902 - 1945 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leni Riefenstahl
Vom Netzwerk:
Pritsche, ungefähr so breit wie ein besseres Bügelbrett. Frau Sorge und ich mußten uns fest umschlingen, um darauf liegen zu können. Sobald eine von uns einschlief und den Arm etwas lockerte, flog sie hinunter auf unsere Sardinenvorräte, die auf dem Boden der Kajüte lagen. Es roch nach feuchtem Holz, nach den Bären, nach Speiseresten und Petroleum. Und an die Seitenwände unserer «Per» schlugen die Eisschollen.
      So fuhren wir viele Stunden, erst in milchiger Dämmerung, dann in greller Sonne. Als sich der Hunger regte, suchten wir aus den Vorräten eine Leberwurstbüchse heraus und kochten uns auf Spiritus ein paar Tassen Tee. Dann kletterten wir übermüdet und beschmiert an Deck, um frische Luft zu schnappen. Doch hier verflog mit einem Male jede Schläfrigkeit. Das Ungewöhnliche dieser Fjordlandschaft überwältigte uns. Das Ufer wurde von senkrechten kohlschwarzen Wänden gebildet, und um uns bewegte sich eine schimmernde Eismasse, durch die sich unser kleines Boot mühsam den Weg bahnte. Alles um uns herum war eingehüllt in zartblaue Nebelschleier. Stumm saßen wir beiden Frauen auf den Tauen und schauten bewegt in diese unvorstellbar schöne «Landschaft».
      Die Stimme des Bootsführers Krauß rief uns aus unserer Versunkenheit.
      «Unmöglich», sagte er, «hier weiterzukommen.»
      «Was soll denn werden?» fragte ich beunruhigt. Er zuckte nur die Schultern.
      «Das ist eben Grönland», meinte er. Aber er gab es noch nicht auf - er versuchte durchzukommen. Öffnete sich zwischen den Eisschollen vor uns eine kleine Rinne, so schlüpfte das Boot sofort hinein, aber die Barriere schloß sich bald hoffnungslos. Noch weiter vorzudringen, erschien unserem Bootsführer zu gefährlich, weil es dann vielleicht kein Zurück mehr gab. Eine beängstigende Vorstellung. Wir waren nach 24 Stunden Fahrt nur noch höchstens eine Stunde von Dr. Fanck entfernt und doch auf Tage von ihm getrennt.
      Da schob sich plötzlich ein mächtiger Eisblock unmittelbar vor uns aus dem Wasser und richtete sich zwischen den Schollen hoch auf. Nun saßen wir endgültig fest. Wir waren im Eis gefangen. Ich betrachtete das ziemlich nahe gelegene Ufer und überlegte, ob man riskieren könnte, über die Schollen hinüberzuspringen, um ans Ufer zu kommen. Von dort müßte man das Lager zu Fuß erreichen können. Das wäre die einzig mögliche Rettung. Gerda Sorge war sofort dabei. Wir wollten es versuchen. Krauß blieb mit seinen Eisbären im Boot. Würden wir das Lager erreichen, wollten wir Hilfe schicken. Dann liefen und sprangen wir über die Schollen.
      Wir hatten Glück und erreichten das Land. Und dann marschierten wir beiden Frauen über Hügel und Felsen, bis wir nach einer Stunde tief unter uns, wie einen kleinen Pilz, das weiße Zelt von Dr. Fanck erkannten. Wir riefen, jodelten und brüllten, und wirklich kam aus dem weißen Pilz eine Person heraus und schaute nach oben. Nun zeigten sich noch mehr Leute. Wir liefen den Abhang hinab und wurden unten mit Jubel empfangen. Fern zwischen den Eisschollen lag unser kleines Boot, aber schon am nächsten Tag trieb eine günstige Strömung die Eisblöcke auseinander und befreite es aus seiner bedrängten Lage.
      Drei Zelte hatten wir in Nuljarfik. Fünfzehn Personen lebten darin. Gottlob war das Wetter gut, und wir konnten endlich arbeiten. Die Aufnahmen mit den Eisschollen gestalteten sich schwieriger, als Fanck gedacht hatte. Oft brachen die Schollen, und die Darsteller ka men so von einem kalten Bad ins andere. Besonders gefährdet waren dabei unsere Kameras. Wenn die ins Wasser fielen, war unser Film verloren. Neue Kameras aus Europa kommen zu lassen, wäre aussichtslos gewesen.
      Sepp Rist mußte fast täglich zwischen den treibenden Schollen schwimmen, eine entsetzliche Schinderei. Und Fanck war gnadenlos. Immer wieder fand er ein noch schöneres Motiv, und immer wieder mußte Sepp Rist ins eiskalte Wasser. Was dieser Mann leistete, war unglaublich, aber der Preis dafür war zu hoch. Ein schweres Rheumaleiden wurde er sein Leben lang nicht mehr los.
      Leichtsinnigerweise versuchte auch ich es einmal, den Sprung ins eiskalte Wasser, aber länger als eine Minute hielt ich es nicht aus. Im ersten Augenblick wußte ich nicht, ob es eiskalt oder siedendheiß war. Nach dem Bad war das Gefühl herrlich. Die Eskimos bestaunten unser Schwimmen, das eiskalte Wasser hatte sie davon abgehalten, es zu erlernen. So war es ihnen unverständlich, daß sich

Weitere Kostenlose Bücher