Memoiren 1902 - 1945
hinausfahren wollte, begleitete er mich, um, wie er sagte, mir das richtige Paddeln beizubringen. Aus einem leichten Flirt entstand plötzlich eine Leidenschaft. Ich vergaß alle meine Vorsätze und war glücklich, wieder verliebt sein zu können. Wir beide waren Augenmenschen und sehr naturverbunden. Solange uns noch Zeit blieb, jagten und fischten wir - bald waren wir unzertrennlich.
Man brauchte nur einen Eimer in das Meerwasser zu tauchen schon war er mit Fischen angefüllt. Es waren mehr Fische im Eimer als Wasser. Da Hans auch ein vorzüglicher Koch war - er hatte das in einer Klosterschule gelernt -, bereitete er uns die schmackhaftesten Fischgerichte. Auch konnte er aus Seehundfleisch, das wir sonst ungenießbar fanden, eine Delikatesse machen. Er legte das stark ranzig riechende Fleisch einige Tage in Essig, würzte es mit Zwiebeln und Lorbeerblättern und verfeinerte es mit Rahmsauce.
Diesen paradiesischen Zustand ungetrübten Glücks konnten wir fast eine Woche lang genießen. Dann wurde Hans von unserem Regisseur abberufen, zu einem neuen Lager, das weiter nördlich aufgebaut werden sollte. Ich mußte mit den anderen Frauen und einigen Männern im Hauptlager in Umanak zurückbleiben.
Unsere Expedition bestand jetzt aus drei Teilen, aus dem Hauptlager in Umanak, dem Fanckschen Arbeitslager in Nuljarfik und dem Udetschen Fliegerlager in Igloswid, 100 Kilometer von Umanak entfernt. Dort hausten mit Udet der Flieger Schrieck, sein Monteur Bayer und Schneeberger, der wieder, wie beim «Piz Palü» und am Montblanc, die Flugaufnahmen machte. Das Fliegen war in Grönland nicht so einfach, wie es am ersten Tag erschien. Damals war das Meer von Umanak ziemlich frei von Eisbergen, nun aber füllte sich die Bucht wieder mit Eisschollen. Die Wasserflugzeuge hatten nun keinen Landeplatz mehr, und eine Landung mit Udets «Motte» war bei diesem hügeligen Gelände unmöglich. Deshalb hatte er sich einen eisfreien Start- und Landeplatz suchen müssen. Der einzige, den er fand, Igloswid,- war weit von Umanak entfernt. Wie sollte man sich aber mit Igloswid verständigen? Udet hatte sich eine praktische Lösung ausgedacht, die allerdings nur er, der geniale Flieger, ausüben konnte. Zu allen Aufnahmen mit ihm schrieb Fanck ausführliche Anweisungen, was Udet in der Luft machen sollte, legte die Richtungen genau fest und fertigte dazu Skizzen an. Der Brief wurde in einen Postsack gesteckt und an der Spitze einer langen Stange aufgehängt, den Udet mit seinem Flugzeug, an dem ein Seil mit einem Angelhaken befestigt war, angeln mußte. Um das zu erreichen, flog er so oft um die Stange herum, bis er den Postsack hochziehen konnte. Ohne seine Kunstfertigkeit wären die Fliegeraufnahmen nie gelungen.
Endlich erhielten wir einen Bericht von Fanck, den Udet in einem Sack über Umanak abwarf. Was wir da lasen, war nicht gerade lustig. Fanck war in einen Fjord eingedrungen, wo sie auf Eisschollen arbeiteten, aber er schrieb, der Fjord sei sehr gefährlich. In sein Ende mündeten, hoch vom Inlandeis herab, zwei große Gletscher, der Umaniako und der Rinksgletscher, und beide lieferten alle acht bis vierzehn Tage mächtige Gletscherkalbungen. Die Eismassen, die von den Inlandgletschern abbrechen, sind so gewaltig, daß sie den ganzen Fjord in Aufruhr versetzen. In diesen Stunden darf sich kein Boot im Fjord befinden, sogar große Eisberge werden durch die Kalbungswellen herumgeschleudert und zerbersten. Ein Boot würde unweigerlich zerschmettert werden. Trotzdem mußten wir, um zu Fancks Arbeitslager zu kommen, hindurchfahren. Das konnte aber nur riskiert werden, wenn diese Fahrt zwischen zwei Kalbungen durchgeführt wurde. Wann aber traten die Kalbungen ein? Es gab noch keine Berechnung, den Zeitpunkt des Abbruchs genau vorauszusagen. Vierzig Kilometer mußten wir durch den gefährlichen Fjord fahren.
Nach einigen Tagen kam unser Boot «Per», um mich zu holen und zwei der drei Eisbären. Frau Sorge fuhr mit, sie hatte Sehnsucht nach ihrem Mann. Die gefährliche Fahrt war gekommen. Die Ladung des Motorboots bestand aus dem Bootsführer Krauß, zwei Frauen, zwei Eisbären, vielen Proviantkisten und Petroleum. So fuhren wir durch das Eismeer. Mir war klar, daß Fanck uns alle wieder einmal in ein wahnwitziges Abenteuer hineinmanövriert hatte.
Weil es bitter kalt wurde, zogen wir Frauen uns sofort in die Kajüte zurück, wo allerdings kaum Platz zum Ausruhen war. In dem winzigen Raum fanden wir eine Art
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