Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Memoiren 1945 - 1987

Memoiren 1945 - 1987

Titel: Memoiren 1945 - 1987 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leni Riefenstahl
Vom Netzwerk:
Kiste zu den Felsen hinauf und machten eine ihrer Hütten für mich frei.
      Während meine Begleiter tagsüber mit ihrem Wagen unterwegs waren, versuchte ich in jeder Stunde, die mir noch verblieb, mein Wissen über die Nuba zu erweitern. Mit einem Tonbandgerät machte ich viele Musik- und Sprachaufnahmen, und abends gab es dann für die Nuba kein größeres Vergnügen, als ihre eigene Musik und Sprache vom Band zu hören.
      Gumba, einer der besten Ringkämpfer, aber nicht aus Tadoro, sondern aus Tomeluba, einer Nuba-Siedlung, hoch am Berg gelegen, lud mich ein, um mich mit seinen Eltern und Verwandten bekanntzumachen. Ich nahm meine Leica mit, die alles wie für ein Tagebuch in Bildern festhielt. Dia und Gurri-Gurri, Gumbas Freunde, begleiteten uns. Wir stiegen über die Felsen aufwärts. Überall grüßten und winkten die Nuba. Je höher wir kamen, desto großartiger wurde die Landschaft. Tief unter uns lag Tadoro und das weite Tal. Inmitten der Felsen standen große uralte Bäume, deren Stämme nur mehrere Menschen umfassen konnten. Die Nuba achteten streng darauf, daß ich mich nicht überanstrengte, legten Pausen ein und spielten dabei auf ihren Gitarren. Zwei Stunden dauerte der Aufstieg nach Tomeluba. Die Hütten lagen weit auseinander zwischen Felsen und Gras. Gumba führte mich in sein Haus, wo er mir aus einer Kalebasse, die er sorgfältig reinigte, Wasser zu trinken gab. Viele Malereien und Ornamente schmückten die Wände, und immer wieder war ich über den Schönheitssinn dieser «Primitiven» überrascht. In Gumbas Haus fand sich auch eine interessante Duschekke, die durch plastische Ornamente verschönt war. Die großen Wasser-Kalebassen wurden von zwei in die Wand eingelassenen Antilopenhörnern gehalten.
      Er hing seinen Perlenschmuck um und band seinen Ledergürtel um die Hüften, dann verschwand er in einem seiner Häuser. Als er zurückkam, hielt er in seinen Händen einen mit einer Schnur zu
sammengebundenen Stoffbeutel, öffnete ihn vorsichtig und zeigte mir lächelnd und mit Stolz einige Münzen — sein erspartes Vermögen. Es waren noch nicht zehn Mark. Dann zeigte er mir seine anderen «Schätze»: Eine große Trommel, ein Horninstrument, zwei aus Elefantenhaut angefertigte und bemalte Schilder, Speere und vor allem seine Ringkämpferbekleidung, die aus langen bunten Bändern bestand. Dazu gehörte Fellschmuck, wie ihn die Nuba an Hals, Armen und Beinen tragen, sowie lange Perlenketten, die sie vor den Kämpfen ablegen.
      Schließlich überreichte mir Gumba als Geschenk eine Kette, deren Perlenschnüre mir vom Rücken bis an die Fußfesseln herunterhingen. So geschmückt verließ ich Tomeluba.

    Ein Totenfest bei den Nuba

    E s war spät, als wir nach Tadoro zurückkamen. Der Deutsche und der Engländer hatten ein paar Vögel geschossen und bereiteten sie zu einem guten Mahl, aber es wurde wenig gesprochen. Es fiel mir auf, daß viele Nuba mit ihren Speeren die Felswege hinaufgingen und daß sie fast alle weiß eingeascht waren.
      Alipo kam zu uns und sagte traurig: «Napi pengo — Napi ist tot.» Ich fragte erschrocken: «Napi aus der Seribe?» Alipo bejahte. Schmerz erfüllte mich, denn Napi war einer meiner Freunde, den ich wegen seiner so großen Bescheidenheit besonders gern hatte. Er gehörte neben Natu und Tukami zu den besten Ringkämpfern von Tadoro.
      «Woran ist Napi gestorben?» fragte ich und erfuhr, daß ihn eine Giftschlange gebissen hatte. Bevor sie beim Kudjur mit ihm ankamen, war Napi schon tot. Er wurde in das Haus seines Onkels gebracht, hoch oben am Berg, und alle Nuba strömten dorthin. Alipo und ich folgten den anderen. Aus der Ferne hörten wir Weinen und Wehklagen. Immer deutlicher waren die Klagelieder zu hören. Auf dem Dach des Hauses war ein großes weißes Tuch gespannt. Vor dem Haus und zwischen den Felsen standen Hunderte von Nuba. Viele von ihnen waren schneeweiß eingeascht. Die Männer, auch die alten, trugen Speere und waren mit Ornamenten bemalt. Auch die Frauen und Mädchen hatten auf ihre Gesichter und Körper weiße Linien und Kreise gezeichnet — ich konnte sie nicht mehr erkennen. Am Rücken hatten sie sich Zweige mit großen grünen Blättern angebunden, was ihnen das Aussehen unwirklicher Wesen verlieh.
      Vor dem Eingang des Hauses lag eine getötete Ziege. Alipo nahm meine Hand und führte mich in das Haus, darin Napi aufgebahrt war. Der Raum war voll von Freunden und Verwandten, die laut und heftig weinten, der Tote war mit

Weitere Kostenlose Bücher