Memoiren 1945 - 1987
davon. Die NubaMänner hier waren fast um einen Kopf größer als «meine» Nuba, sie wirkten wie schwarze Riesen. Als einzigen Schmuck trugen sie weiße Federn am Kopf und um die Hüften einen aus Ästen gebogenen Gürtel.
Inzwischen war Alipo zurückgekehrt. Er hatte für uns alle Schlaf
stellen gefunden. Wir verließen den Platz und betraten nach einiger Zeit ein Haus, das — soweit ich es in der Dunkelheit erkennen konnte — denen von Tadoro ähnlich war. Die Korongo-Familie zog sich in die Nebenhäuser zurück, nur eine Frau blieb bei uns. Sie machte Feuer und setzte einen großen Topf mit Durabrei für uns auf. Meine Nuba konnten nicht mit ihr reden — die Sprache der Korongo-Nuba ähnelt in keinem Wort der der Masakin. Zu müde, um noch etwas zu mir nehmen zu können, legte ich mich auf den Steinboden und schlief vor Erschöpfung sofort ein.
Das große Fest in Togadindi
B eim Erwachen fühlte ich mich wie zerschlagen. Von oben bis unten war ich mit Staub bedeckt. In der Mitte der Hütte hatten unsere Ringkämpfer schon mit ihrer «Morgentoilette» begonnen — sie waren beim Einaschen. Ein ganz und gar unwirklicher Anblick. Sie standen in einem Bündel Sonnenstrahlen, die durch das Dach der Hütte fielen, darin wirbelte und flimmerte die Asche. Wie von Scheinwerfern beleuchtet, bewegten sich die weißen Gestalten gegen den dunklen Hintergrund — für einen Bildhauer begeisternde Motive.
Als ich aus der Hütte trat, war ich von dem gleißenden Sonnenlicht geblendet. Nur langsam konnten meine Augen diese Helligkeit ertragen. Was ich dann sah, war überwältigend. Ich hatte schon Tausende von Nuba bei ihren Festen erlebt, aber dieser Anblick übertraf alles. Es war ein Heerlager phantastisch geschmückter Menschen — eine Woge unübersehbarer Fahnen und Speere.
Ich stürzte in die Hütte, um die Kamera zu holen, und wußte nicht, was ich zuerst aufnehmen sollte: die Massen, die Gesichter oder die verwirrend vielen Ornamente auf Körpern und Kalebassen.
Die Sonne brannte wieder erbarmungslos von dem blauen Himmel, ich bekam unerträglichen Durst. Vergeblich suchte ich das Haus, in dem ich übernachtet hatte, um dort Wasser zu finden. Ich fand es nicht, ich konnte auch niemanden danach fragen, ich kannte kein einziges Wort in Korongo-Nuba.
Entmutigt setzte ich mich auf einen Stein. Eine Frau, die mich beobachtet haben mußte, deutete auf ein Haus. Erleichtert ging ich hinein und hatte nur den einen Wunsch — zu trinken. Alipo suchte in allen Ecken der Hütte, aber die Töpfe waren leer. Ich wischte mir das salzige Wasser aus den Augen — der Durst war qualvoll. Alipo kam nach wenigen Minuten mit einer Kalebasse zurück. Gierig trank ich sie aus.
Inzwischen hatte der Einmarsch aller Mannschaften begonnen. Ich rannte, so schnell ich nur konnte, und versuchte, unsere Nuba von Tadoro unter den marschierenden Gruppen zu entdecken. Alipo sah sie sofort. Wir drängten uns durch die immer zahlreicher zusammenströmenden Menschen. An der Spitze ging Natu, die Fahne tragend. Die von seinem Helm herabhängenden Perlenschnüre verdeckten wie ein Vorhang sein Gesicht. Hinter ihm tanzten Tukami und die anderen Ringkämpfer von Tadoro. Die Menge von heute morgen hatte sich verdoppelt. Ich konnte ihre Zahl nicht mehr schätzen. Kreise fingen sich an zu bilden — ein Zeichen, daß die Kämpfe bald beginnen würden. Wie Matadore zogen die Kämpfer in die anfangs noch sehr großen Ringe. Unausgesetzt dröhnten die Trommeln. Eine ungeheure Erregung lag in der Luft, und wie auf ein unsichtbares Zeichen begannen die Kämpfe. In dem Kreis, in den mich die Nuba durchschlüpfen ließen, kämpften etwa zwanzig Paare. Mir war, als befände ich mich in einer antiken Arena. Dieses Ringkampffest stellte in seinem Ausmaß alle bisherigen in den Schatten.
Unsanfte Stöße rissen mich fast um, ein kämpfendes Paar hatte den Ring bei uns durchbrochen — die Kämpfer wären beinahe über mich gestürzt. Der Kampf wogte hin und her, die Nuba um mich schrien wie verrückt, und jetzt war es einem gelungen, seine Arme um die Taille des anderen zu schlingen, er drehte ihn wie eine Puppe herum, und dann — ein Aufschrei — er hob den anderen Riesen hoch über seinen Kopf in die Luft und legte ihn dann ziemlich sanft auf den Rücken. Ohrenbetäubender Lärm, Trommeln und Pfeifen setzten ein. Ich löste mich aus der Menge, lief vor den Nuba her, um den Sieger, der mit großem Jubel herausgetragen wurde, im
Weitere Kostenlose Bücher