Memoiren 1945 - 1987
es Tukami sein mußte. Sein Ausdruck war bekümmert.
«Warum lachst du heute nicht?» fragte ich ihn.
Tukami sagte traurig: «Waribi nibbertaua» — meine Frau ist weggelaufen.
«Warum?» Tukami zuckte die Achseln und sagte verzweifelt: «Basso weela» — kommt nicht wieder.
Da kamen Knaben angerannt und riefen «Norro szanda Togadindi». In diesem Augenblick war Tukamis Problem vergessen. Wir gingen ins Freie. Eine Gruppe Nuba umringte zwei Boten, von denen einer auf einem Horn blies, während der andere mit dem «solodo» — dem Lederpatscher — mehrere Male auf die Erde schlug. Sie kamen aus den Korongo-Bergen, um die Nuba zu einem großen Ringkampffest nach Togadindi einzuladen. Auch ich wurde von dem Fieber der Erwartung, das die Boten hervorgerufen hatten, angesteckt. Alipo sagte mir, morgen ganz früh, wenn die Hähne krähen, würden die Nuba «dette dette» — weit, sehr weit gehen. Mit seinen Armen machte er eine ausholende Bewegung: «Szanda jogo» — ein großes Fest. Ich wollte den Deutschen und den Engländer verständigen, aber der Wagen war weg, wahrscheinlich holten sie Wasser.
Es war noch Nacht, als Alipo mich weckte. Die Nuba hatten sich bereits versammelt. Ich lief noch einmal in die Hütte zurück, um meine Taschenlampe zu holen, und zögerte einen Augenblick, ob ich den Deutschen nicht doch verständigen sollte — aber wekken wollte ich ihn nicht.
Es ging sich wunderbar am frühen Morgen, die Temperatur war angenehm, die Nuba lustig wie immer, und ich fühlte mich wohl in meiner leichten Bekleidung. Die Tasche mit den Optiken trug Alipo, die Leica gab ich nie aus der Hand. Langsam wurde es Tag. Der Himmel, an dem noch die Sichel des Mondes zu sehen war, erhellte sich. Als die Sonne über den Hügeln erschien, blitzten die vor uns liegenden gelben Felder wie Gold. Nun erreichten die Sonnenstrahlen auch uns, und augenblicklich wurde es heiß. Früher als sonst fing ich unter der glühenden Sonne zu leiden an. Das Wasser lief mir am Körper entlang wie bei einem Saunagang. Die Hitze war kaum noch zu ertragen. Selbst den Nuba war sie zuviel. Sie klagten: «Singi zepa» — die Sonne ist sehr heiß. Ich versuchte, meine aufkommende Schwäche zu verbergen. Endlich fanden wir einen schattigen Rastplatz, nachdem wir über fünf Stunden ohne Pause gegangen waren. Die Frauen stellten ihre großen Körbe ab, in denen sie die Kleidung und den Schmuck der Ringkämpfer mit sich führten. Dann holten sie die Töpfe mit Dura-Brei heraus, und wir aßen, tranken und ruhten uns über eine Stunde aus.
Längst hatten wir die Felder hinter uns gelassen, nur Sträucher und vereinzelte Bäume waren anzutreffen. Ich fragte Alipo, wie weit es noch sei, er deutete in die Ferne: «Dette dette» — sehr, sehr weit. Wie schon sooft hatte ich mich unüberlegt in ein Abenteuer eingelassen, und nun gab es kein Zurück. Ich mußte versuchen, durchzuhalten. So marschierte ich weiter, Kilometer um Kilometer, immer öfter schaute ich auf die Uhr. Der Marsch nahm kein Ende.
Die Sonne hatte schon längst den Zenit überschritten, als es vor meinen Augen zu flimmern begann und ich im gleichen Augenblick eine Schwäche verspürte. Schatten bewegten sich um mich, ich fühlte, wie mein Kopf und Körper mit Wasser bespritzt wurde, und versank in Bewußtlosigkeit. Als ich zu mir kam, schaukelte ich wie auf einem Kamelrücken. Ich wußte nicht Traum oder Wirklichkeit zu unterscheiden, bis ich inne wurde, daß ich in einem Korb lag, den eine Nuba-Frau auf ihrem Kopf trug.
Endlich machten wir Halt. Die Frauen hoben mich herunter und legten mich flach auf die Erde. Die Sonne war untergegangen, und schnell nahm die große Hitze ab. Bald fühlte ich mich besser. Wir befanden uns auf einem Platz inmitten eines fremden Dorfes. Das große Fest sollte morgen stattfinden, womit ich nicht gerechnet hatte. Noch nie waren die Nuba, solange ich bei ihnen war, so weit zu einem Ringkampffest gegangen. Ich hatte weder Seife noch Zahnbürste dabei — aber mehr Sorge bereitete es mir, daß der Deutsche nicht wußte, wo ich mich aufhielt.
Unterdessen war es dunkel geworden. Alipo war fortgegangen, um für unsere Nuba — es waren wohl mehr als sechzig — Unterkunft für die Nacht zu finden. Neugierig wurden wir von den fremden Nuba betrachtet, hauptsächlich wurde ich bestaunt. Es war sehr unwahrscheinlich, daß sie schon eine weiße Frau gesehen hatten. Kinder, die mich erblickten, liefen weinend
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