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Memoiren 1945 - 1987

Memoiren 1945 - 1987

Titel: Memoiren 1945 - 1987 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leni Riefenstahl
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hier sah, war unvergleichbar, es war einfach phantastisch. An manchen Stellen war die Menge der Gazellen unübersehbar, Hunderttausende können es gewesen sein.
      Am fünften Tag erreichten wir Akobo. Dort lebt der Stamm der Anuak. Nie habe ich in Afrika so schöne schwarze Menschen gesehen, besonders unter den Mädchen, deren feine Gesichtszüge arabischen Einfluß zeigten. Ihre in Zöpfen geflochtenen Haare waren mit rotem Lehm verziert und eingeölt, so daß es aussah, als trügen sie Perücken. Leider blieben wir nur zwei Stunden, so daß ich wenig zum Fotografieren kam. Ich wünschte mir, hier einmal filmen zu können.
      Nach langer Fahrt näherten wir uns dem Buma-Plateau, an der Grenze zu Äthiopien. Ich glaubte, in der Schweiz zu sein. Mit seinen saftigen grünen Hügeln und einem angenehmen Klima ist es,
    3000 Meter hoch gelegen, die schönste Gegend im Sudan. Aber risikolos nur mit dem Flugzeug erreichbar. Hier blieben wir einige Tage. In diesem fast undurchdringlichem grünen Buschwerk lebten noch unbekannte Stämme, Fremde konnten kaum in diese Gegend kommen. Oftmals hatte ich das Gefühl, wir würden beobachtet, aber nur selten bekam ich die Eingeborenen zu Gesicht. Einmal sah ich für einen kurzen Augenblick zwei schwarze Gestalten, die als einzigen Schmuck tellergroße Metallscheiben an den Ohren trugen, ein anderes Mal eine Gruppe, die nur mit weißen Reiherfedern geschmückt war, die wie Kronen auf ihren Köpfen aussahen. Leider unmöglich, sie zu fotografieren — sie waren zu scheu.
      Auf der Rückreise blieben wir einen Tag in Pibor Post, dem Sitz des Stammes der Murle. Die Männer sind als Löwenjäger berühmt, die Mädchen und Frauen, die einen aus blauen Perlen bestehenden Kopfschmuck trugen, rauchten ebenso wie die Männer große Wasserpfeifen und waren ganz und gar nicht scheu, sie waren lustig und zu Späßen aufgelegt. Ich konnte sie fotografieren, soviel ich wollte.
      In Bor verabschiedete ich mich von dem Gouverneur, er mußte zurück nach Malakal. Er gab mir den Rat, nicht mit dem Nildampfer nach Juba zu fahren, sondern auf einen Wagenkonvoi zu warten. In dem Rasthaus des Ortes erlitt ich zum ersten Mal in Afrika einen fiebrigen Anfall. Der Arzt, nach dem ich geschickt hatte, kam nicht, begnügte sich damit, mir durch einen Boy Tabletten bringen zu lassen. Ich war skeptisch, nahm ein Aspirin, und am nächsten Tag war das Fieber vorbei.
      Im Rasthaus hatte ich Gelegenheit, mit einem ehemaligen Häftling, einem Dinka, der als Boy mein Zimmer aufräumte, zu sprechen. Vorsichtig erzählte er, daß er zu Unrecht bestraft worden war. Er sollte sogenannte Steuergelder von den Häuptlingen der Dinka kassieren. Jedes Rind wird einmal im Jahr mit einer kleinen Geldsumme belegt. Aber die Häuptlinge hätten ihm das Geld nicht gegeben, und die sudanesischen Beamten beschuldigten ihn, es unterschlagen zu haben.
      «Wenn Sie unschuldig sind», sagte ich, «warum laufen Sie dann nicht weg?»
      Darauf sagte er: «Niemand könnte sich für längere Zeit im Busch verstecken.»
      «Wieso? Es gibt doch riesige Flächen, wo keine Menschen wohnen.»
      Der Dinka: «Es können hundert und mehr Kilometer unbewohnt sein, und trotzdem käme ein Mensch, der sich dort versteckt, mit irgendwelchen Schwarzen in Berührung. Um im Busch zu überleben, muß man Kontakte zu Menschen aufnehmen, und wenn nur zwei oder drei von seiner Existenz etwas wissen, erfahren es in ein paar Wochen alle. Die Trommeln übertragen auf weite Strecken jede Nachricht. Und es findet sich immer wieder ein Verräter, der für Geld solche Nachrichten weitergibt. Bis jetzt ist jeder, der es versucht hat, im Busch allein zu leben, gescheitert.»
      Am nächsten Tag kamen die vom Gouverneur angekündigten Lastwagen. Mich wunderte, daß die blitzneuen Fahrzeuge außer dem Fahrer keine weitere Personen mitführten. Erst später, als ich von der Revolution hörte, die schon wenige Monate nach meinem Besuch im südlichen Sudan ausbrach, dämmerte mir, daß die Wagen, die nach Juba fuhren, Militärfahrzeuge gewesen sein müssen. Wahrscheinlich war die Reise des Gouverneurs zur äthiopischen Grenze eine militärische Erkundungsfahrt gewesen, an der ich ahnungslos teilnehmen durfte.
      Mit einem dieser Fahrzeuge verließ ich Bor. Mit etwas Glück wollten wir noch die letzte Fähre, die am Nachmittag um fünf Uhr nach Juba fuhr, erreichen. Die Straße war noch nicht trocken, und viele Male hatten wir tiefe Wasserpfützen zu

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