Memoiren 1945 - 1987
dem Telegramm und den schweren Folgen, die es haben würde, wenn ich kein Visum bekäme. Auch daß ich heute noch nach New York und morgen nach Deutschland fliegen müsse.
Höflich, aber bestimmt sagte er: «My Lady, was denken Sie, es handelt sich um ein Visum, das dauert mindestens fünf Tage, und das ist noch sehr schnell.»
Weinend bat ich: «Bitte, machen Sie doch eine Ausnahme.»
Zum Glück hatte ich meine sudanesische Film- und Fotogenehmigung vom letzten Jahr mitgenommen, auch die Empfehlungsschreiben des Polizeichefs von Kordofan, dazu Briefe und Fotos von Mitgliedern der sudanesischen Regierung.
Diese Unterlagen haben das Unwahrscheinliche möglich gemacht. In einer halben Stunde hatte ich mein Visum. Der Preis war hoch. Die Chance, meine Fotos im «National Geographic Magazine» zu
sehen, hatte ich verspielt, wahrscheinlich auch die Zusammenarbeit mit der «National Geographic Society». Mein Fortlaufen, das ich wegen der Eile und meinem ungenügenden Englisch nicht überzeugend hatte erklären können, war ihnen unverständlich. Sie haben es mir nicht verziehen.
Vor dem Start
A ls ich im Flugzeug saß, überfiel mich eine ungeheure Ermattung. Was wäre wohl geschehen, wenn ich nicht im allerletzten Augenblick das Visum erhalten hätte? Nur mein leidenschaftlicher Wunsch, die Nuba wiederzusehen, hatte das Unmögliche möglich gemacht. Der Preis war allerdings unerhört hoch. Wie nahe war ich dem Ziel gewesen, einen großen Film machen zu können, nicht nur eine Fotoexpedition.
Würde Robert Gardner den Vertrag mit den «Odyssey-Productions» abschließen können und das Geld noch rechtzeitig überweisen? Das alles schwirrte mir durch den Kopf.
Das Schwerste, was mir bevorstand, war die Trennung von meiner Mutter. Sie hatte schon das 84. Jahr überschritten, und ihr gesundheitlicher Zustand hatte sich verschlechtert. Durfte ich sie allein zurücklassen? Sie wollte es. In ihrer grenzenlosen Selbstlosigkeit hatte sie nur den einen Wunsch, mich glücklich zu sehen.
In München blieben mir nur noch zwölf Tage Zeit. Die VWBusse sollten noch vor Ende Oktober nach Genua starten. Zuvor mußten noch Einbauten gemacht, Zusatzgeräte besorgt werden — im Busch bekam man keine Schraube. Dazu kamen die Impfungen, die Kranken- und Unfallversicherungen, die Zollisten in doppelter Sprache und schließlich allerlei Nahrungsmittel. Einer der Fahrer, Walter, der Elektriker, mußte als Kameraassistent geschult werden und bei der VW-Niederlassung ein Praktikum hinter sich bringen, um bei möglichen Pannen diese Fahrzeuge mit Differentialsperre reparieren zu können. Jede freie Stunde verbrachte ich bei «Arri», wo Dr. Arnold mit mir die Filmausrüstung zusammenstellte — Optiken, Filter, Stative und Blenden.
Das Geld aus New York war noch nicht avisiert. Was blieb mir übrig, als auf Pump zu kaufen. Kurz vor Abfahrt der Fahrzeuge hielt ich das erlösende Telegramm in Händen: «Vertrag abgeschlossen, 10 000 Dollar unterwegs, Brief folgt. Gardner.»
Die Freude dauerte nur Stunden. Ein anderes Telegramm bestürzte mich ungemein. Es brachte die Absage meines Kameramanns Hölscher, der in Afrika bei der «Schwarzen Fracht» dabeigewesen war. Er hatte sich in Indonesien die Gelbsucht geholt. Hölscher war der wichtigste Mann für den Film, und in der kurzen Zeit, die wir noch hatten, war es aussichtslos, Ersatz zu finden. Ich müßte einen Kameramann nachkommen lassen.
In dieser schweren Zeit lernte ich einen jungen Mann kennen, dem ich viel zu verdanken habe. Mit ihm verbindet mich seitdem eine Freundschaft. Uli Sommerlath, ein junger Medizinstudent, stellte sich in jeder freien Stunde für die Expedition zur Verfügung, nahm uns alle nur erdenklichen Arbeiten ab und erwies sich mir und meinen Mitarbeitern bald als unentbehrlich.
Die jungen Leute, Walter und Dieter, mußten ohne mich fahren. Ich hatte noch zuviel zu erledigen, vor allem einen Kameramann zu suchen. Ich mußte fliegen. In Khartum wollten wir uns treffen.
Am 25. Oktober 1964 war es soweit. Aus meinem Fenster im 5. Stock der Tengstraße schaute ich immer wieder auf den Hof hinunter, wo die letzten Kisten in die Busse eingeladen wurden. Wir gingen hinunter, der Abschied kam. Ich umarmte die jungen Leute — bei strömendem Regen verließen die beiden Fahrzeuge den Hof. Wir liefen ihnen nach, bis wir die Busse nicht mehr sehen konnten.
Todmüde kamen Uli und ich in meine Wohnung zurück, wo wir uns
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