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Memoiren 1945 - 1987

Memoiren 1945 - 1987

Titel: Memoiren 1945 - 1987 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leni Riefenstahl
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bei einem Glas Wein etwas entspannen wollten. Wir waren glücklich, es geschafft zu haben. Da kam im Radio eine Meldung über den Sudan. Was wir erfuhren, war furchtbar: Eine Revolution sollte im Sudan ausgebrochen, die gesamte Regierung abgesetzt und ihre Mitglieder verhaftet worden sein — nicht auszudenken — das waren meine Bekannten und Freunde, mit deren Hilfe ich gerechnet hatte. Auch Uli war wie gelähmt.
      Unter diesen Umständen erschien mir das Unternehmen aussichtslos. Ich kannte die Verhältnisse im Sudan. Schon bei normalen Verhältnissen zu den «closed districts» war eine Reise äußerst schwierig. Sofort abbrechen, die Wagen stoppen, war mein erster Gedanke. Was würde geschehen, wenn sie in Port Sudan nicht landen könnten! Vielleicht würden die Wagen in Brand gesteckt, die Fahrer verhaftet — das Risiko war zu groß, andererseits konnten wir auch nicht abwarten, bis die Unruhen aufhörten. Die Schiffspassagen waren für Monate ausgebucht.
      Uli versuchte sofort, die Botschaft zu erreichen. Niemand mel
dete sich. Ich rief sudanesische Bekannte und Freunde in Deutschland an, niemand konnte mir etwas sagen. Wir riefen den Flughafen an und erfuhren, der Flugverkehr nach Khartum war eingestellt, auch gab es keine telefonischen Verbindungen mehr. Uli versuchte, über Presseagenturen Greifbares zu erfahren, aber die wußten nicht mehr als wir. Bald stand fest, es gab keine Informationen, niemand wußte Bescheid über das Ausmaß der Unruhen und über die Möglichkeiten, nach dem Sudan zu kommen.
      Wahrscheinlich waren unsere Wagen jenseits des Brenners. Sollte ich sie stoppen oder fahren lassen? Wir riefen in Genua den Kapitän unseres Schiffes an. Könnte er unsere Leute, falls eine Landung unmöglich sein sollte, wieder mit zurückbringen? Er verneinte dies, es war alles schon ausgebucht. Würde die Revolution bei der Ankunft in Port Sudan nicht niedergeschlagen sein, könnten die Busse nicht ausgeladen werden, die Gefahr der Beschlagnahme und der Verlust der Wagen und des Materials seien zu groß. In einem solchen Fall, schlug der Kapitän vor, würde er die Fahrzeuge und die beiden Leute bis zum nächsten Hafen nach Massawa in Äthiopien mitnehmen können, aber weiter ginge es nicht.
      In Genua hatten Walter und Dieter von der Revolution erfahren, beide waren bereit, das Risiko auf sich zu nehmen. Ich schwankte — viele Stunden.
      So wurde ewig hin- und hertelefoniert. Als der unaufschiebbar letzte Augenblick gekommen war und meine beiden Begleiter ungeduldig und nervös eine Entscheidung forderten, atmete ich tief und sagte mit leiser Stimme: «Fahrt los. Ich wünsche euch Glück, hoffentlich sehen wir uns in Khartum wieder.»

    Revolution im Sudan

    D ie Unruhen im Sudan dauerten fast drei Wochen. Meine Leute waren noch auf See. Erst Mitte November konnte ich mit einer aus London kommenden Maschine nach Khartum fliegen. Es war ein beklemmendes Gefühl, zusammen mit nur sechs anderen Passagieren in dieser riesigen leeren Maschine zu sitzen. Am frühen Morgen landeten wir in Khartum. Nur wenige Leute kamen an die Sperre. Ich zeigte mein Visum und stand gleich danach außerhalb des Flughafens. Ein gespenstisches Bild. Überall lagen umgestürz te, noch brennende Autos — die ganze Straße hinunter. Ein Wunder, daß überhaupt noch Taxis da waren. Da es in Khartum keine Straßenbezeichnungen oder Hausnummern gibt, muß man den Weg schon selber kennen.
      Nach allerlei Irrfahrten durch leere Straßen und über zahlreiche Brandstellen hinweg fanden wir schließlich das Haus, in dem mich meine deutschen Freunde erwarteten. Nun erfuhr ich aus erster Hand, was geschehen war. Die Gouverneure aller Provinzen befanden sich in Gefängnissen — nicht in Khartum, sondern fast tausend Kilometer entfernt, in westlicher Richtung in der Nähe von Dafur.
      Es soll ganz harmlos angefangen haben. Einige Studenten der Universität Khartum hatten demonstriert, sie wollten durchsetzen, daß die im Süden lebenden Sudanesen genauso wie die Nordsudanesen hier studieren durften. Außerdem richteten sich die Demonstrationen gegen angebliche Korruptionen, die den Bau des Assuan-Staudamms betrafen. Ein Abkommen zwischen dem Sudan und dem Ägypten Nassers besagte, daß ein Teil des Sudans bei Wadi Halfa unter Wasser gelegt werden mußte, was eine völlige Überflutung mehrerer Ortschaften und Städte bedeutete. Später sollten sie an anderen Orten wieder aufgebaut werden. Gerüchte wollten wissen, daß

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