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Memoiren 1945 - 1987

Memoiren 1945 - 1987

Titel: Memoiren 1945 - 1987 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leni Riefenstahl
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ein Teil der Gelder, die Ägypten dafür an den Sudan zahlte, von Regierungsmitgliedern für persönliche Zwecke unterschlagen wurde. Gerüchte oder Tatsachen — wer konnte das noch prüfen? Jedenfalls war aus einer anfänglich kleinen Demonstration in wenigen Tagen ein großer Brand entstanden. Er kostete Hunderte von Toten.
      General Abul wurde zum neuen Regierungschef ernannt, und es sah so aus, als würde er die Lage in die Hand bekommen. Immer wieder flackerten Straßenkämpfe auf, die sich in der Nähe des Hauses meiner deutschen Freunde, der Familie Weistroffer, abspielten.
      Ich dachte an Abu Bakr, meinen besten sudanesischen Freund, dem ich vor allem den Zugang zu den Nuba zu danken hatte. Im Afrikakrieg hatte er als Oberst in der Armee gedient und an den Kämpfen gegen Rommel teilgenommen, den er sehr schätzte. Mit einem Taxi machte ich mich auf die Suche und fuhr in sein Ministerium. Es war leer. Die Türen standen offen. Ich ging von Zimmer zu Zimmer — kein Mensch war zu sehen. Ich ging den Flur entlang, bis zum Ende. Da sah ich eine geschlossene Tür. Als ich sie öffnete, traute ich meinen Augen nicht. Hinter einem Schreibtisch

saß Ahmed Abu Bakr.
      Er war also kein Gefangener, er war frei, er war da. Wir umarmten uns und hatten Tränen in den Augen.
      «Ahmed», sagte ich nach einigen Augenblicken, «ich glaubte, ich müßte Sie im Gefängnis besuchen, und nun finde ich Sie hier. Welch ein Glück!»
      Abu Bakr, ein Sudanese, der eine für uns Europäer unglaubliche Ruhe ausstrahlte, war auch in den schwierigsten Situationen gefaßt und hörte sich in aller Ruhe die Erlebnisse meiner letzten abenteuerlichen Wochen an. Dann sagte er lächelnd: «Leni, you are a very brave girl.»
      Auf meine Frage, ob ich eine Chance hätte, noch einmal zu meinen Nuba zu fahren, sagte er, ich müsse Geduld haben und abwarten, wie sich alles entwickelt. Beglückt und hoffnungsvoll fuhr ich in das Haus meiner Freunde zurück. Zum ersten Mal fand ich Zeit, mich zu entspannen. Das herrliche Klima tat mir gut, um diese Zeit war es nicht heiß. Der strahlend blaue Himmel, der schöne Garten, die großzügige Gastfreundschaft, all das genoß ich in vollen Zügen.
      Die Idylle täuschte. Die Revolution war noch nicht beendet. Immer wieder gab es Straßenkämpfe und Tote. Im deutschen Club herrschte Unruhe, niemand wußte, was die Zukunft bringen würde. Die meisten Deutschen lebten schon seit vielen Jahren hier, arbeiteten in der Industrie, bauten Wasseranlagen oder waren bei den Wetterstationen am Flughafen beschäftigt. Ihren Familien ging es gut, und keine wollte gern Khartum verlassen. Sie hatten schöne Häuser und Gärten, die Arbeit begann früh um halb acht und war wegen zunehmender Hitze meist um zwei Uhr vorüber. Nach dem allgemein üblichen Nachmittagsschlaf besuchte man Freunde und genoß die sogenannte «Teestunde», an die jeder, der sie kennengelernt hat, gern zurückdenkt. Beim Dinner, unter klarem Sternenhimmel, wurden die Gärten mit farbigen Lampen erleuchtet, Bäume und Blumen angestrahlt. Ein Gefühl, als wäre die Welt noch ganz in Ordnung. Diese wunderbare Atmosphäre war es, die nicht nur Deutsche, sondern auch Fremde bewegte, immer wieder nach Afrika zurückzukehren.
      Endlich kam ein Lebenszeichen aus Port Sudan: Das Schiff war eingetroffen, meine Leute meldeten sich am Telefon. Die Strecke Port Sudan — Khartum beläuft sich auf etwa 900 Kilometer, sie ist schwierig und nur im Konvoi zu befahren. Um die Wagen zu schonen, wurden sie mit der Bahn verladen.
      Am Nikolausabend begrüßte ich Walter und Dieter auf dem Bahnhof. Die Fahrzeuge waren unversehrt, und Weistroffers ließen die jungen Leute gern bei sich wohnen. Die Autos wurden in ihrem Garten untergebracht.
      Die Kämpfe flackerten immer wieder auf. Niemand durfte nach dem Süden. Dort sollten die Unruhen noch heftiger sein. Die Schiffahrt von Malakal nach Juba war auf Monate stillgelegt. Trotz dieser angespannten Lage hatte mir Abu Bakr die Film- und Fotogenehmigung für die Nuba-Berge besorgt sowie die Fahrgenehmigung für unsere VWs und die Verlängerung unserer Visa. Nun warteten wir ungeduldig auf ein Ende des Aufstandes. Aber dann brach nach scheinbarer Ruhe noch einmal ein Sturm los, der schlagartig die Situation veränderte. Diese Kämpfe demolierten den Flugplatz so schwer, daß er geschlossen werden mußte. Unter den Toten und Verletzten waren zum ersten Mal auch Europäer. Die Hospitäler waren

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