Memoiren 1945 - 1987
seit einigen Tagen geschieden.»
Desmarais fuhr fort: «Ich werde nun berichten, wie ich auf ‹Tiefland› und Ihr Schicksal aufmerksam wurde.»
Mit starker Spannung hörten wir nun, was er uns erzählte. «Ich hatte in der Pariser Cinemathek zu tun. Im Keller, in dem unendlich viele Filmkopien lagern, entdeckte ich Schachteln, auf denen ‹Tiefland› und Ihr Name stand. Da wurde ich neugierig. Es war mir klar, daß ich nicht so ohne weiteres die Erlaubnis erhalten würde, mir das Material anzusehen. So versuchte ich es über den Lagerverwalter. Nachdem er ein gutes Trinkgeld erhalten hatte, konnte ich mir in einer Nacht einige Rollen des Films vorführen lassen. Es war eine geschnittene Arbeitskopie ohne Ton.»
Als ich hörte, daß mein «Tiefland» noch existierte, und wo es war, atmete ich auf.
«Sie haben meinen ‹Tiefland›-Film gesehen?» fragte ich fassungslos.
«Ja», antwortete Desmarais, «ich weiß nicht, ob es die Kopie ist, die Sie geschnitten haben, denn ich habe bei meinen Nachforschungen erfahren, daß eine französische Cutterin im Auftrage des Capitain Petitjean über ein Jahr an Ihrer Schnittkopie gearbeitet hat. Eine französische Gruppe wollte den Film fertigstellen und ihn ohne Ihre Mitarbeit und Genehmigung auswerten. Diese Leute hatten sehr gute Beziehungen zum ‹Deuxième Bureau› und dessen Chef Colonel Andrieu. Sie waren natürlich interessiert, Sie solange wie möglich inhaftiert zu wissen, damit sie ungestört Ihren Film ‹Tiefland› auswerten konnten.»
«Dann geht es auf diese Leute zurück, daß ich in eine Irrenanstalt eingeliefert wurde?» fragte ich bestürzt.
«Möglich», sagte Desmarais. «Ich muß sehr vorsichtig sein. Es darf niemand in Paris erfahren, daß ich Sie hier besucht habe. Sie müssen alles, was ich Ihnen heute sage, sehr vertraulich behandeln. Sprechen Sie mit niemandem darüber, sonst kann ich Ihnen nicht helfen, und alles ist gefährdet.»
«Aber wie wollen Sie mir helfen können, wenn niemand etwas davon wissen darf?»
«Das werden Sie gleich erfahren. Meine Frau und ich haben einen sehr guten Freund. Er ist einer der ehrenwertesten und angesehensten Anwälte in Paris und Ehrenmitglied der Sorbonne. Sein Name: André Dalsace, Professor au C.P.A., Docteur en Droit. Er hat sich bereit erklärt, Ihre Sache zu übernehmen, da ihn Ihr Schicksal, das zum Teil auch durch die Presse in Paris bekannt wurde, sehr bewegt hat. Er empfindet es für Frankreich unwürdig, wie man Sie behandelt hat. Deshalb wird er für seine Tätigkeit kein Honorar nehmen, damit ihm nicht der Vorwurf gemacht werden kann, er hätte Ihren Fall nur des Geldes wegen übernommen.»
Mein Mißtrauen verflüchtigte sich. Ich begann zu ahnen, daß hier etwas Konkretes vorhanden ist.
«Und was kann Professor Dalsace für mich tun?» fragte ich beklommen.
«Er wird, wenn Sie Ihr Einverständnis geben, und deshalb bin ich hier, Colonel Andrieu verklagen.»
«Das ist unmöglich. Der Chef der geheimen französischen Staatspolizei kann doch nicht wegen einer Deutschen verklagt werden.»
«Das ist möglich, wenn Sie uns dabei helfen. Wir brauchen von Ihnen eine eidesstattliche Erklärung, in der Sie alles wahrheitsgemäß angeben, was mit Ihnen in der französischen Zone Österreichs und Deutschlands geschehen ist. Sollten Sie über geeignete Dokumente verfügen, so müßten davon von einem Notar beglaubigte
Kopien angefertigt werden.»
«Ich besitze wichtige Bescheinigungen vom Amerikanischen Hauptquartier der VII. Armee und von Colonel Andrieu. Ich werde sie Ihnen zeigen, aber», sagte ich, «was haben Sie für Motive, sich so für mich einzusetzen?»
Desmarais schmunzelnd: «Nun, ich bin Geschäftsmann, ich möchte, daß Sie den ‹Tiefland›-Film für mich fertigstellen und daß wir uns den Gewinn dann teilen ...»
«Ach», unterbrach ich ihn in euphorischer Stimmung, «wenn ich nur meine Freiheit wiederbekäme, das Geld ist mir gleichgültig. Sie können alles haben.»
«Sie werden sehr viel verdienen, der Film ist phantastisch, ich habe mir die Rollen mehrere Male angesehen.»
«Haben sie denn die finanziellen Möglichkeiten, den Film fertigzustellen?» fragte ich.
«Das ist kein Problem, wichtig ist, daß sobald als möglich Ihre Haft beendet wird und wir die Rückgabe Ihres beschlagnahmten Eigentums erreichen. Daß Sie aus der Anstalt entlassen wurden, verdanken Sie auch Professor Dalsace, der
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