Memoiren 1945 - 1987
Ihren Bildband erfolgreiche Talkshow, das verbürgt schon der Name Hansjürgen Rosenbauer, der sich übrigens auf das Gespräch mit Ihnen freut. Es wird seine letzte Talkshow sein.»
Wenige Tage vor der Sendung besuchte mich Herr Rosenbauer in der Tengstraße. Ein junger Mann, der gut aussah und auch sympathisch auf mich wirkte. Als er sagte, man habe zuerst an Rainer Barzel als meinen Gesprächspartner gedacht, war ich irritiert. Ein Politiker wäre wohl der ungeeignetste Partner für mich bei einer Talkshow — ich fand diese Idee absurd, aber dann sagte er, man habe eine andere Wahl getroffen. Er hatte sich für eine ältere Frau aus dem Arbeitermilieu entschieden, weil, wie er sagte, diese Arbeiterfrau sich positiv über mich geäußert hätte, was ihn beeindruckt habe. Sie soll gesagt haben, es wäre ein Unrecht, wie man mich nach dem Krieg behandelt hätte. Wie sollte ich da ahnen, was
auf mich zukommen würde?
Vor Sendebeginn wurden mir im Studio des WDR meine Gesprächspartner vorgestellt: Knut Kiesewetter, ein mir nicht bekannter Liedermacher, und Elfriede Kretschmer, die Arbeiterfrau. Am Beginn schien alles recht harmlos und friedlich zu sein, aber das währte nicht lange. Schon nach kurzer Zeit begann mich Frau Kretschmer zu attackieren. «Ich verstehe nicht», rief sie mir zu, «daß eine Frau Filme macht, die gegen die ganze Menschheit waren — das hätte ich nie gemacht.»
Rosenbauer: «Was haben Sie gemacht?»
Frau Kretschmer: «Ich habe gearbeitet.» — Großer Applaus von der mitgebrachten Claque, die, wie ich erst später erfuhr, mit einem Omnibus herangebracht worden war und sich mehr oder weniger als «Ultralinke» fühlte. Ich war bestürzt und ahnte die Falle. Trotzdem bemühte ich mich, zuerst diese Attacke noch ruhig abzuwehren. Das konnte nicht gelingen, besonders deshalb nicht, weil ich keine Hilfe von Herrn Rosenbauer erhielt, dem die Regie dieser Sendung immer mehr aus den Händen entglitt und der den Redefluß der Frau Kretschmer, die wie eine kommunistische Wahlrednerin auftrat, nicht stoppen konnte. Ihre Angriffe wurden immer heftiger. «Wie kommt man dazu, solche Filme zu drehen, die meiner Meinung nach Rattenfängerfilme sind?» sagte sie bissig, «ich könnte das nie in meinem Leben verantworten. Wir Menschen haben ja schon um dreißig herum gewußt, was wir machen und was die Umwelt brachte — das können Sie mir glauben, das haben wir gewußt.»
Nun verlor ich meine Ruhe, das war zuviel. Es begann eine erregte Diskussion, die von Seiten meiner Gesprächspartner immer aggressiver wurde.
«Ich bin froh», sagte ich, «wenn wir abbrechen. Ich bin nicht hier, weil ich wollte, ich wurde gebeten, herzukommen — man hatte mir versprochen, daß es eine faire und unpolitische Unterhaltung wird.»
Tatsächlich war es aber ein Verhör vor einem Tribunal. Was ich auch sagte, es wurde von den drei Leuten, die an der Talkshow beteiligt waren, überhört und ignoriert. Sie stellten die unglaublichsten Fragen an mich. Als über den Olympiafilm diskutiert werden sollte, fragte man mich, warum ich nicht Filme über Behinderte mache und warum in meinen Olympiafilmen nur schöne, edel gestaltete Menschen gezeigt werden. Meine Argumente, daß ich die Teilnehmer doch nicht ausgewählt habe, daß sie von 30 Kameraleuten, die an ganz verschiedenen Plätzen arbeiteten, gefilmt wurden, und es nicht meine Schuld sein kann, wenn Athleten nun einmal trainierter aussehen, wurden nicht zur Kenntnis genommen.
Eine sachliche Diskussion konnte nicht zustande kommen, die Vorurteile meiner Gesprächspartner waren zu groß. Ich war darauf nicht vorbereitet und versuchte, so gut es ging, aus dieser peinlichen Affäre herauszukommen. Schon oft hatte ich mit Gegnern des damaligen Regimes gesprochen und immer Verständnis für Andersdenkende gehabt, auch für überzeugte Kommunisten. Ich selber hatte noch 1944 einen Altkommunisten, wie es auch Frau Kretschmer war, in meiner Firma als Aufnahmeleiter angestellt, und als er 1944 wegen Führerbeleidigung verhaftet wurde, mich für ihn eingesetzt und weiter beschäftigt. Er hieß Rudolf Fichtner und war ein Münchner. Schade, daß er mir an diesem Abend nicht zur Seite stehen konnte, vielleicht würde dann Frau Kretschmer etwas weniger hart mit mir ins Gericht gegangen sein.
Es war kein guter Abgang für Hansjürgen Rosenbauer. In der Presse konnte man es am nächsten Tag lesen: «Als die Scheinwerfer verlöschten, herrschte im
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