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Memoiren 1945 - 1987

Memoiren 1945 - 1987

Titel: Memoiren 1945 - 1987 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leni Riefenstahl
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Studio peinliches Schweigen. Rosenbauer war mit einem Schlag allein. Sogar Bühnenarbeiter gingen ihm aus dem Weg. Das kalte Büfett, das zu seinem Abschied organisiert war, wurde abgeblasen. Hunderte von Fernsehzuschauer protestierten telefonisch beim WDR. Sie schämten sich der Art und Weise, in der eine alte Frau wie eine Angeklagte behandelt und moralisch hingerichtet wurde. Die Fernsehsendung wurde zum Skandal. Millionen von TV-Zuschauern waren Zeugen eines würdelosen Tribunals. Die Angeklagte, eine Frau mit brauner Vergangenheit — Leni Riefenstahl. Die Staatsanwälte: Eine Gewerkschafterin — Elfriede Kretschmer, und ein erfolgreicher Schlagersänger — Knut Kiesewetter. Der Richter: Hansjürgen Rosenbauer.» So stand es wörtlich in verschiedenen Zeitungen, die mir keineswegs sonst wohlgesinnt waren, sondern wesentlich mehr Sympathie für Frau Kretschmer bekundeten.
      Man teilte mir mit, an die zweitausend Anrufe seien während der Sendung beim WDR in Köln registriert worden. Das soll es noch nie gegeben haben. Auch wurde ermittelt, daß die Fernsehzuschauer ausnahmslos Partei für mich ergriffen hatten. Meine Mitarbeiter und Freunde, Inge und Horst, die sich während der Sendung in meiner Wohnung aufhielten, erzählten, schon wenige Minuten nach Beginn der Talkshow hätten ununterbrochen empörte Zuschauer angerufen und wollten mich sprechen. Sie hatten nicht bemerkt, daß es eine Livesendung war und ich mich in dieser Zeit im Studio des WDR in Köln befand.
      Die Briefe und Telegramme, die ich bekam, waren buchstäblich unzählbar. Ich bedauere es noch heute, daß ich außerstande war, sie zu beantworten, es waren zu viele, zum Teil ergreifende Briefe. Besonders berührten mich solche von Menschen, die als Opfer des NS-Regimes in Konzentrationslagern Qualen erlitten hatten. Unter den Tausenden von Briefen, die ich aus Deutschland, aus der Schweiz und Österreich erhielt, befand sich nur ein einziger Brief, in dem ich beschimpft wurde. Das Interesse war so groß, daß zwei namhafte Verleger mir damals das Angebot machten, die Briefe in Buchform herauszubringen.
      Die Presse war zwiespältig. Im «Spiegel» entdeckte Wilhelm Bittorf bei den «Nuba von Kau» Parallelen zu meinen früheren Filmen. «Blut und Hoden» überschrieb er seinen Bericht. Da stand: «Von Schwarzen Korps der SS zu den schwarzen Körpern der Nuba trieb es Leni Riefenstahl auf ihrer Suche nach Kraft und Schönheit ... Was ist so anders bei den Primitiven, wenn sich die Nuba-Jünglinge mit sorgsam enthaarten Hoden zur Schau stellen wie Coverboy-Anwärter für ‹Him›? ... Wie ein spätes Dornröschen, das vom Gift der Enttäuschung und Verbitterung betäubt war, erwachte Leni Riefenstahl zum zweiten Mal. Und alle die wiederbelebte Begeisterungsfähigkeit, ja — Süchtigkeit, mit der sie die Kulte der Nazis und die Körper der Olympioniken gefeiert hatte, wandte sie nun den Kulten und Körpern der Nuba zu ... Hier enthüllt sich vollends, wie unverbesserlich die Leidenschaft für das Starke und Gesunde in dieser Enthusiastin seit den Tagen von Glaube und Schönheit geblieben ist. Die Nuba, das sind im Grunde für sie die besseren Nazis, die reineren Barbaren, die wahren Germanen.»
      Ich konnte nur staunen. Daß die Bilder «meiner» Nuba an die «SS» erinnern, darauf wäre ich nie gekommen. Da heißt es bei Unterwasserfotos aufzupassen, daß ich nicht «braune» Fische fotografiere. Bittorfs Analysen sind schon merkwürdig, denn überzeugte Nationalsozialisten waren doch Rassisten und ließen neben blonden Ariern nichts gelten. Wie verträgt sich das mit meiner Freundschaft und Liebe zu den schwarzen Nuba?
      Von Analytikern wie Wilhelm Bittorf, Susan Sontag und anderen, denen es ihre Vorurteile nicht erlauben, meine Arbeit objektiv
zu beurteilen, gibt es nicht allzu viele. Entschädigt wurde ich durch die Zuschriften und Leserbriefe, die das «Feme-Gericht» über mich verurteilen, aber auch durch die eindrucksvollen Bildberichte in den illustrierten Zeitschriften, die nach der Talkshow veröffentlicht wurden. Das Angebot, das Rolf Gillhausen mir für das Magazin GEO machte bewies, daß die «Talkshow» ein Bumerang war. Auf seinen Wunsch sollte ich noch einmal die Nuba von Kau besuchen, um aufzunehmen, wie ihre Welt sich verändert hatte. Obwohl Gillhausen nun für den «stern» arbeitete, war GEO noch immer sein Lieblingskind — «sein» Magazin, das er ins Leben gerufen hatte.
      So reizvoll diese Aufgabe auch

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