Memoiren 1945 - 1987
Chance bieten würde.
Während mir dies mit allen vorhersehbaren Konsequenzen durch den Kopf schoß, ich an mein Alter und meine Schulden dachte, von denen ich trotz der Bucherfolge noch lange nicht alle abgetragen hatte, rangen «zwei Seelen in meiner Brust». Die eine Stimme sagte: «Du mußt das Angebot annehmen», die andere: «Du darfst es nicht tun.» Warum nicht? Eigentlich gab es für meine Abwehr nur einen einzigen Grund, der stärker war als alle finanziellen Verlokkungen: Ich konnte mir nicht vorstellen, daß ich in einer so kurzen Zeitspanne über mein langes und abenteuerliches Leben so berichten könnte, daß sein Ablauf verständlich wäre und keine Mißverständnisse entstehen. Ich hätte in der Tat nur sechs Wochen zur Verfügung. Da ich erst Ende Mai aus dem Sudan zurückkommen würde, könnte es im besten Falle nur eine oberflächliche Biographie werden und würde meine von mir selbst geschriebenen Memoiren, die ich noch immer hoffte, eines Tages schreiben zu können, entwerten.
Die «stern»-Redakteure und meine Freunde konnten meinen Verzicht nicht verstehen. In langen Gesprächen versuchten sie, mir meine Bedenken auszureden. «Für Ihre Memoiren», sagte Nannen, «wäre die Serie im ‹stern› doch nur die beste Werbung.»
Ich war anderer Ansicht. «Es ist einfach unmöglich», sagte ich, «in sechs bis acht Wochen mein Leben zu erzählen, ich würde physisch daran zerbrechen. Auch wäre es ja ungewiß, ob die Bearbeitung meiner Texte, durch wen auch immer, die ‹Riefenstahl› so wiedergeben kann, wie sie wirklich ist.»
Es war fast Mitternacht, als wir uns trennten. Ich fühlte mich beklommen, da ich unsicher war, ob ich nicht eine nie wiederkehrende Chance verspielt hatte. Auch tat es mir leid, daß ich meine Freunde so enttäuscht hatte.
Meine letzte Sudan-Expedition
Z wei Wochen später war ich in Khartum. Ich flog voraus, um an Ort und Stelle alles vorzubereiten, Fahrzeuge, Genehmigungen, Benzin und Proviant. Nimeiri hatte sein Wort gehalten. Wir erhielten zwei fast neue Fahrzeuge, einen Landrover und einen AchttonnerLKW, sowie zwei Fahrer aus der Präsidenten-Kanzlei, auch genügend Benzin, Öl und Ersatzteile. Noch nie hatte ich über eine solche Ausrüstung verfügt. Ich begann mich auf die Expedition zu freuen. Inzwischen war auch Horst mit dem Gepäck und unseren beiden Begleitern in Khartum eingetroffen. Einer war Peter Schule, der für GEO den Bericht schreiben sollte, der zweite, Wulf Kreidel, war als Assistent für Horst mitgekommen.
Die Fahrt nach Kau führte über sandige Pisten, durch verlassene Dörfer und durch immer schlechter werdendes Gelände. Ab und zu begegnete uns ein Araber freundlich grüßend, sonst trafen wir in dieser ziemlich trostlosen Landschaft nur auf einzelne Kamele und Ziegen. Am Tage litten wir unter der Hitze, in den Nächten fror ich in meinem Schlafsack. Nach drei anstrengenden Tagen sahen wir die ersten Nuba-Hütten. Die Neugierde unserer Begleiter, die Nuba zu sehen, war groß. Ali und Gamal, unsere beiden Fahrer, trauten ihren Augen nicht, als sie die ersten nackten Nuba erblickten — für sie als gläubige Moslems ein entsetzlicher Anblick.
Ebenso entsetzt war Peter Schule — nicht weil sie nackt waren, sondern, wie sie aussahen. Sie hatten sich unglaublich entstellt. Ich hatte ihn zwar vorbereitet, daß es die Nuba, wie ich sie noch erlebte und aufgenommen hatte, kaum noch gäbe, aber die Veränderungen, die mit ihnen vorgegangen waren, konnte nicht einmal ich fassen. Nicht mehr als zwei Jahre waren vergangen, daß ich sie noch in ihrer Ursprünglichkeit erlebt hatte.
Als wir durch Nyaro, das erste und hübscheste Nuba-Dorf kamen, wurde mein Wagen von den herbeilaufenden Nuba fast gestürmt. Sie hatten mich erkannt und riefen «Leni, Leni». Aber wie sahen sie aus! Bis zur Lächerlichkeit waren sie durch unmögliche Kleidungsstücke und Brillen entstellt. Auch waren sie im Gegensatz zu den Masakin-Nuba aufdringlich und verlangten alles Mögliche von uns, sogar unsere Kleider. Trotzdem war ihre Freude, uns wiederzusehen, überschwenglich.
In Kau begaben wir uns zum Omda. Er war wie immer freundlich und machte sich sofort mit uns auf die Suche nach einem geeigneten Lagerplatz. Bald fanden sich auch Jabor und Tute ein und boten ihre Hilfe an. Schon nach zwei Tagen war unser Lager umzäunt, und immer mehr Nuba kamen, um uns zu begrüßen. Unsere sudanesischen Fahrer hatten ein großes Zelt mitgebracht,
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