Memoiren 1945 - 1987
NBC New York, Mitte Februar nach New York zu kommen, um den Film vorzuführen.
Ich bin nun wirklich einigermaßen verzweifelt, weil ich nicht weiß, was ich machen soll. Ich weiß, daß Sie Ungeheures leisten müssen im Moment und selbst unter Druck stehen, wie Sie mir sagten, wegen Ihres neuen Buches, der Memoiren, und der Drehvorbe reitungen für einen Film auf den Malediven.
Und trotzdem möchte ich Sie noch einmal bitten, ob Sie irgendei ne Möglichkeit sehen können, mir dieses Gespräch früher zu ge währen. Denn Sie können sich vorstellen, daß das Gespräch mit Ihnen das Herzstück des Filmes wäre, ohne das der Film im Grun de wertlos ist. Und sicher werden Sie verstehen, daß bei dem gro ßen internationalen Interesse an diesem Film das Fehlen dieses Gespräches mit Ihnen ein Jammer wäre.
Wenn Sie doch irgendeine Möglichkeit fänden, mich früher zu empfangen als April, wäre ich Ihnen unendlich dankbar. Verzeihen Sie mir bitte noch einmal meine «Zähigkeit», mit der ich Sie schon so schrecklich gestört habe, seien Sie aber meiner Bewunderung und Verehrung für Ihre große Kunst sicher! Darf ich Ihnen eine schöne und besinnliche Vor-Weihnachtszeit wünschen und mich mit hochachtungsvollen Grüßen verabschieden.
Anna Madou
Was für eine Infamie! Ein Jahr, bevor ich ihren Brief erhielt, in dem sie sich als große Verehrerin von «Künstlerin Leni Riefenstahl» ausgab, war ich ihr zum ersten Mal begegnet. Ende September
1980 hielt ich in der Freiburger Universität im Auditorium Maximum einen Dia-Vortrag über die Nuba. Vor Beginn fragte mich eine Dame, die sich als Frau Madou vorstellte, ob sie mich während des Vertrags filmen dürfe. Ich willigte ahnungslos ein. Aber ich war nicht der einzige Mensch, den sie im Bild haben wollte. Sie hatte, was in ihrem Film zu sehen ist, ihren «Kronzeugen», den inzwischen 40 Jahre älter gewordenen Zigeuner Josef Reinhardt, mitten ins Publikum gesetzt. Während die Zuschauer mir applaudieren, schwenkt die Kamera auf den vergrämt dreinschauenden Mann, um ihn, der 1940 bei den Aufnahmen noch ein Knabe war, später in ihrem Film als einen der mißbrauchten «Tiefland»-Zigeuner zu präsentieren.
Frau Gladitz hatte also von Anfang an ein festes Konzept, nämlich ein verleumderisches Machwerk über mich zu produzieren. Obwohl sie in Freiburg schon am ersten Tag ihren «Kronzeugen» im Zuschauerraum plazierte, hatte sie weder im Auditorium Maximum noch am folgenden Tag in der Buchhandlung Rombach, wo sie mich während einer Signierstunde filmte und anschließend ein Gespräch mit mir führte, nie eine Frage zu «Tiefland» oder die darin beschäftigten Zigeuner gestellt. Auch in ihrem über ein Jahr später verfaßten Brief erwähnte sie meinen Film mit keinem Wort. Was für eine Absurdität! Schon über ein Jahr arbeitete sie an ihrer «Dokumentation» über die Herstellung des «Tiefland»-Films, wie
sie ihren Streifen klassifizierte.
Wie gezielt ihre Absicht war, meine Arbeit zu verunglimpfen, ist aus der Werbeschrift ersichtlich, die den Kassetten ihres Films beigelegt ist. Da kann man über mich und meine Filmarbeit lesen:
«Ist es legitim, um der Kunst willen, die Schlachthäuser eines barbarischen
Systems für künstlerische Zwecke zu benutzen? Und ist es legitim, das Kino so zu
lieben, daß man um seiner Kunst willen Menschenrechte verletzt?»
Der Prozeß zog sich über Jahre hin, er führte durch zwei Instanzen. «Kronzeuge» der Beklagten Gladitz war Josef Reinhardt aus der Zigeunerfamilie Reinhardt — im August 1940, als Harald Reinl und mein Aufnahmeleiter Hugo Lehner nach Maxglan kamen, dreizehn Jahre. Gegen ihn wurde in einem Meineidsverfahren 1955 eine Strafe nur deshalb nicht verhängt, weil er unter Amnestie fiel. Dieses Gericht hatte ihm aber bescheinigt, daß er «in mehreren Einzelhandlungen falsche Versicherungen an Eidesstatt abgegeben hat».
Auch anderen Zeugen, die in Maxglan noch Kinder waren, eines sogar nur vier Jahre, schenkte das Gericht Glauben. Dagegen wertete es die Aussage Dr. Reinls, selbst studierter Jurist, nur als «Gegenaussage». Ferner wollte die Freiburger Kammer nicht zur Kenntnis nehmen, daß im «Revue»-Prozeß die Zigeunerin Johanna Kurz in den zahlreichen Anschuldigungen, die sie gegen mich vorbrachte, nie behauptet hatte, ich selbst hätte in Maxglan die Zigeuner ausgesucht. Sie hatte nur von «zwei Herren» gesprochen. Wäre ich persönlich in Maxglan gewesen, wie nun
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