Memoiren 1945 - 1987
Bauten ausführte. Das Amt des österreichischen Generalkonsuls hatte er nur aus Prestigegründen übernommen.
Francesco Waldner hatte nicht zuviel gesagt. Tatsächlich erschien mir die Begegnung fast schicksalhaft. Soviel Herr Gramazio in seinem Büro deklamiert hatte, nun war er der beste Zuhörer. Ich mußte ihm die Handlungen meiner neuen Filmprojekte erzählen, der «Ewigen Gipfel» und des Tanzfilms. Ich schilderte ihm auch meine Probleme mit den in Frankreich beschlagnahmten Filmen und die politischen Schwierigkeiten, die ich noch immer in Deutschland hatte.
Es war schon sehr spät, als wir aufbrachen — wir waren die
letzten Gäste. Professor Gramazio und Signor Monti brachten mich nach Hause. Während wir die Via Aurelia Antica hinauffuhren, sagte er: «Wir werden zusammenarbeiten und morgen eine Firma gründen.»
«Morgen?» fragte ich ungläubig.
«Morgen», sagte Gramazio lachend, «bis Sie kommen, wird alles vorbereitet sein, ich erwarte Sie um zwölf Uhr.»
Als ich heimkam, schlief schon alles, man hatte die Türen offengelassen. Ich tappte im Dunkeln und suchte lange, bis ich einen Lichtschalter fand. Dann schwankte ich die Treppe hinauf, denn nun spürte ich den Wein. Ich hatte einige Gläser getrunken, vertrage aber nur wenig Alkohol. Da ich leider ein sehr schlechtes Ortsgefühl habe, was mich besonders beim Klettern und später beim Tauchen schon in unangenehme Situationen brachte, hatte ich mir in diesem Schlößchen den Weg zu meinem Zimmer, der über eine kleine Treppe führte, mit weißer Kreide gekennzeichnet. So fand ich in dieser Nacht, ohne jemand wecken zu müssen, mein Bett. Noch beim Einschlafen sah ich die seltsamen Augen von Francesco Waldner.
Die «Iris-Film»
A m nächsten Vormittag war ich wieder in der Via Barberini 3. Herr Gramazio erwartete mich schon im Beisein eines älteren, etwas rundlichen kleinen Mannes, den er mir als seinen Geschäftsführer vorstellte. Über dem Raum lag eine feierliche Stimmung. Nachdem ich mich gesetzt hatte, übergab mir Herr Gramazio ein Couvert. In dem Brief der «Banca Populare di Roma» stand:
«Hiermit teilen wir Ihnen mit, daß wir von Professor Ernst Hugo Gramazio die Ermächtigung erhalten haben, Ihnen ab 1. Mai des laufenden Jahres die Summe von Lire 2 500 000 (Zweimillionenfünfhunderttausend) zur Verfügung zu stellen.»
Ich war sprachlos. Dieser Betrag entsprach damals ungefähr dem Wert von 50 000 DM. Gespannt beobachtete man meine Reaktion, aber ich schaute sie nur ratlos an. Dann brach Gramazio lachend das Schweigen und sagte: «Signora Leni, es ist mir eine Freude, Ihnen den Brief meiner Bank zu übergeben als Anfangskapital für die neue Version Ihres Films ‹Das blaue Licht›. Ich bin glücklich, Ihnen meine Mitarbeit zur Verfügung zu stellen.»
Ich war überwältigt.
Im Büro des Notars Olinto de Vita wurde unter der Aktennummer 45381 ein Vertrag für die Gründung einer Firma, der «IrisFilm», von Herrn Gramazio, dem Notar und mir unterzeichnet. Der Vertrag sah vor, daß nach Zahlung des Stammkapitals, das inzwischen von der «Banca d’Italia» eingezahlt war, Herr Gramazio und ich alleinige Gesellschafter dieser Firma mit Sitz in Rom wurden. Zweck der Gesellschaft war die Produktion von Filmen, für die Herr Gramazio zehn Millionen Lire als Anfangskapital zur Verfügung stellte.
Das Tempo, das Gramazio vorlegte, war atemberaubend. Auch sonst inszenierte Gramazio Dinge, von denen ich nicht zu träumen gewagt hätte. Schon einen Tag nach dem Besuch bei dem Notar wurde ich von dem Regisseur de Sica eingeladen. Ich bewunderte seine Filme. Er sprach über meine so begeistert, daß ich fast beschämt war. In den Ateliers der «Cinecitta» zeigte er mir in einem kleinen Vorführraum seinen noch unfertigen Film «Umberto D», der wie schon seine «Fahrraddiebe» und das «Wunder von Mailand» seine geniale Begabung zeigte. Auch meine Filmpläne interessierten ihn. Als er erfuhr, daß ich seit Kriegsende meinen Beruf nicht mehr ausüben konnte, bewegte ihn das so, daß er im Atelier die Belegschaft zusammenrief, mich ihr vorstellte und vor den Beleuchtern und Bühnenarbeitern eine leidenschaftliche Rede hielt, von der ich leider außer ein paar Worte nichts verstand. Am Ende seiner Rede heftiger Applaus.
Auch Rossellini, den ich am nächsten Tag kennenlernte, war von einer Herzlichkeit, die mich, wenn ich an meine deutschen «Kollegen» dachte, tief berührte. Er kannte alle
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