Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Memoiren 1945 - 1987

Memoiren 1945 - 1987

Titel: Memoiren 1945 - 1987 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leni Riefenstahl
Vom Netzwerk:
Riefenstahl» vermittelte den Eindruck, daß ich wenige Tage nach Kriegsausbruch in Polen Zuschauerin eines von deutschen Soldaten verübten Judenmassakers gewesen war. Der Text: «Leni Riefenstahl ist eine der wenigen deutschen Frauen, die von den furchtbaren Verbrechen, unter denen das Ansehen Deutschlands noch heute in der ganzen Welt leidet, nicht nur gewußt, sondern sie mit eigenen Augen angesehen hat.»
      Als angeblichen Beweis für diese Anklage brachte die Illustrierte in Großformat eine Nahaufnahme von mir, die einen entsetzten Gesichtsausdruck zeigt. Ein anderes Foto zeigt erschossene Menschen vor einer Häuserwand am Boden liegen. Aus dieser Bildzusammenstellung mußte jeder Leser den Eindruck haben, daß ich einem Massaker zusehe, solche Verbrechen also erlebt habe.
      Wie ich schon in meinem Kapitel «Krieg in Polen» über diese

    schrecklichen Ereignisse in Konskie ausführlich geschrieben habe, sah die Wirklichkeit ganz anders aus. Dieses mich angeblich belastende Foto wurde in dem Augenblick gemacht, als ein deutscher Soldat mit den Worten «Schießt das Weib nieder» auf mich anlegte. Im selben Moment hörte ich aus der Ferne Gewehrschüsse, worauf alle um uns stehenden Soldaten in Richtung der Schießerei davonliefen. Bei mir blieben nur meine Mitarbeiter.
      Erst bei Generaloberst von Reichenau, bei dem ich mich über das undisziplinierte Verhalten der Soldaten beschweren wollte, erfuhr ich von dem entsetzlichen Geschehen. Bei einer sinnlosen Schießerei waren mehr als dreißig Polen verletzt oder ums Leben gekommen, auch vier deutsche Soldaten wurden verwundet. Weder ich noch meine Mitarbeiter haben etwas davon gesehen. Dieser Vorfall hat mich so erschüttert, daß ich noch am gleichen Tag meine Tätigkeit als Filmberichterin aufgab und den Kriegsschauplatz verließ. Aber darüber schwieg die «Revue», auch über die Ursache dieses schrecklichen Geschehens, das von den Polen verübte Massaker an deutschen Soldaten. Das Foto, das in ihrem Bericht beweisen sollte, daß ich einer Judenerschießung zugesehen habe, wurde mir bereits ein Jahr zuvor von einem Erpresser, der sich Freitag nannte, zum Kauf angeboten. Nachdem ich dies abgelehnt hatte, landete es bei der «Revue».

    Die Folgen des «Revue»-Berichts

    Diese erneute Verleumdung hatte eine verheerende Wirkung. Der «National-Film-Verleih» meldete, die meisten Theaterbesitzer hätten ihre Verträge gekündigt. Schlimmer als der Boykott der Wiederaufführung des Films war die Auswirkung auf mein neues Vorhaben. Herr Tischendorf, der Inhaber einer der größten deutschen Filmfirmen, der «Herzog-Film», schrieb mir: «Leider müssen wir Ihnen mitteilen, daß uns die kürzlich erschienene Veröffentlichung in der ‹Revue› Veranlassung gibt, von unserem Angebot für Ihr Filmvorhaben ‹Die roten Teufel› Abstand zu nehmen. Wir bedauern dies sehr.»
      Am schlimmsten wirkte sich der «Revue»-Bericht auf Paris aus. Das Sensationsblatt «Samedi-Soir» brachte im März 1952 den «Revue»-Artikel mit den gleichen «Originalfotos». Herr Würtele, der sich in Paris aufhielt, um das nach Professor Gramazios letztem
Besuch freigegebene Filmmaterial abzuholen, teilte mir mit: «Die für den 9. Mai 1952 vom französischen Außenministerium offiziell angeordnete Übergabe Ihres Filmmaterials an die österreichische Botschaft wurde in letzter Stunde durch die von ‹Samedi-Soir› teilweise wörtlich übernommenen Enthüllungen der Münchner Wochenzeitung ‹Revue› vereitelt.»
      Das war zuviel — ich brach zusammen.
      Auch in Rom wurde der Bericht der «Revue» bekannt. Als Professor Gramazio aus Paris erfuhr, das «Tiefland»-Material sei erneut beschlagnahmt, verwandelte sich seine bisherige Hilfsbereitschaft und Begeisterung in das Gegenteil. Er überschüttete mich mit Vorwürfen und verlangte ohne jeden Rechtsanspruch seine bisherigen Ausgaben für «Das blaue Licht», einschließlich seiner Reisen nach Paris, zurück. Da ich total verschuldet war, konnte ich ihm vorläufig nichts zahlen, was zu einem jahrelangen Rechtsstreit führte.
      Alle Hoffnungen waren vereitelt — wieder stand ich mit leeren Händen da. Einen neuen Prozeß mit der «Revue» wollte ich vermeiden. Ich fühlte mich zu schwach, um mich gegen einen potentiell so starken Gegner erfolgreich wehren zu können. Ich konnte nur die Berliner Spruchkammer, die mich wegen meines Hauses in Dahlem noch zu entnazifizieren hatte, telegrafisch um einen möglichst

Weitere Kostenlose Bücher