Memoiren 1945 - 1987
abschließen, es wäre günstiger, wenn dieses Buch zuerst im Ausland erschiene.
Damals ahnte ich noch nicht, daß Henri Nannen Jahrzehnte später wegen seiner unbedeutenden Mitwirkung an «Olympia» so heftig als «Nazi» attackiert würde. Dabei hatte er doch in dieser kurzen Aufnahme, bei der ich nicht einmal anwesend war, nur einen einzigen kleinen Satz gesprochen. Das war alles, was er mit «Olympia» zu tun hatte. Logischerweise wären demnach sämtliche Reporter, auch die Ausländer, die im Olympiafilm eine Ansage machen, «Nazis» gewesen.
Ein Brief von Jean Cocteau
I ch war wieder in München. Welch ein Gegensatz zu meinem Leben in Italien! Noch immer lebten wir in dem kleinen Zimmer. In dieser Zeit machte mir Luise Ullrich das Angebot, für sie ein Filmmanuskript zu schreiben, und zwar zu Ernst Wiecherts Roman «Die Magd des Jürgen Doskocil». Sie war fasziniert von dem The
ma, die Hauptfigur war eine Wunschrolle von ihr.
Luise Ullrich gab mir großzügig einen Vorschuß, aber die Arbeit fiel mir schwer, weil ich wenig Beziehung zu diesem Thema hatte. So schwer es mir auch fiel, ich gab das Geld Frau Ullrich wieder zurück.
Da erhielt ich einen Brief, der wie ein Wunder auf mich wirkte — ein Schreiben von Jean Cocteau. Ich hatte diesen großen Künstler nie kennengelernt, und deshalb war ich allein von der Tatsache dieses Briefes überwältigt. Cocteau schrieb:
26. November 1952 36, rue Montpensier Paris Meine teure Leni Riefenstahl,
wie könnte ich nicht Ihr Bewunderer sein, da Sie das Genie des Films sind und Sie den Film auf eine Höhe gebracht haben, die er selten erreicht. Es wäre mir eine große Freude, Sie kennenzuler nen, weit ab von den schlechten Gewohnheiten, die heute in der Welt des Films eingerissen sind ... Ich grüße Sie von ganzem Her zen und wäre glücklich, einige Zeilen von Ihnen zu erhalten, die Ihre Projekte und Ihre Person betreffen.
Ihr Jean Cocteau
Ich war total verwirrt. Diese Bewunderung! Was für ein Gegensatz zu den Demütigungen, die ich seit Jahren hinnehmen mußte. Dieser Brief gab mir wieder soviel Aufschwung, daß ich trotz zweimaliger Absagen der «Herzog-Film» Herrn Tischendorf schon am nächsten Tag anrief und auch einen Termin für ein Gespräch erhielt. Ich kam auch nicht mit leeren Händen. Einmal brachte ich das Urteil der Berliner Spruchkammer mit, außerdem die Zusagen von Vittorio de Sica und Jean Marais sowie das Interesse der «Minerva» in Rom. Es gelang meiner leidenschaftlichen Überzeugungskraft, alle Bedenken, die Herr Tischendorf gegen dieses zweifellos nicht risikolose Filmprojekt hatte, auszuräumen, und schon nach wenigen Tagen erhielt ich einen Vertrag, der mich verpflichtete, in sechs Wochen ein kurbelfertiges Drehbuch abzuliefern. Ohne den Brief von Cocteau hätte ich diese Überzeugungskraft nie aufgebracht.
Letzter Kampf um «Tiefland»
E ndlich konnte ich mit einer kreativen Arbeit beginnen. Ich beschloß, mir eine kleine Wohnung in den Bergen zu suchen, und entschied mich wieder für Kitzbühel. Oberhalb des Ortes fand ich im «Landhaus Kohl» genau das, was ich suchte: Zwei holzgetäfelte gemütliche Bauernstuben und eine kleine Küche, herrlich gelegen mit dem Blick über die ganze Gebirgskette. Unter mir lag das tief verschneite Tal. In nur zwanzig Minuten Fußweg war man im Ort. Es war Anfang Dezember, als ich dort mit meiner Arbeit beginnen wollte. Da wurde mein Friede wieder gestört.
Eines Morgens erschien bei uns Otto Lantschner, einer meiner früheren Mitarbeiter. Ganz außer Atem kam er an. Der sonst so ruhige, eher phlegmatisch wirkende Otto versuchte offensichtlich, seine Erregung durch ein Lächeln zu verbergen. Ohne sich zu setzen, sagte er: «Leni, entschuldige mein frühes Erscheinen, aber es ist sehr wichtig. Uli hat mich aus Innsbruck angerufen (er meinte Uli Ritzer) und mich gebeten, dich sofort zu verständigen, daß du eine einmalige Gelegenheit hättest, die Vernichtung von ‹Tiefland›, die die Franzosen nun endgültig beschlossen haben, vielleicht gerade noch zu verhindern. Du müßtest versuchen, den Schnellzug nach Wien, in dem der österreichische Finanzminister Dr. Kamitz sitzt, noch zu erreichen.»
«Was sagst du», rief ich erregt, «‹Tiefland› soll vernichtet werden — ein Wahnsinn — das ist unmöglich!»
«Wußtest du das nicht?» Ich schüttelte den Kopf. «Deshalb hat Uli mich hierhergeschickt. Er rät dir, in den Zug, der in Kitzbühel drei Minuten
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