Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Memoiren 1945 - 1987

Memoiren 1945 - 1987

Titel: Memoiren 1945 - 1987 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leni Riefenstahl
Vom Netzwerk:
über Spanien vorgeschlagen. Ich begann, mich mit diesem Thema zu beschäftigen.
      Dreimal war ich schon durch Spanien gereist — von Süden nach Norden, von Westen nach Osten. Ich hatte die Städte und die Dörfer besucht, die Reichen und die Armen, und ein Land extremer Gegensätze kennengelernt. Da fand ich meinen Titel «Sol y Sombra» — Sonne und Schatten.
      Nicht nur in den Stierkampfarenen gab es die Plätze «Sol y Sombra», dies war typisch für so vieles in Spanien. Neben der im Süden herrschenden tropischen Fruchtbarkeit, den blühenden Gär ten in Granada und Sevilla, den regengrünen Wäldern und saftigen Weiden in Galicia, den üppigen Orangenhainen in Valencia und fruchtbaren Weingärten in Katalonien — die große Dürre. Erbarmungslos brennt die Sonne auf die Hochebene von Kastilien, trostlos erscheinen die gigantischen Tafelberge in der Provinz Soria — kilometerweit Steppen, ohne Halm und Strauch. Die Natur in diesem Land ist maßlos, und die Gegensätze sind gewaltig. So auch bei den Menschen. Welche Unterschiede zwischen den reichen Spaniern, den Kirchenfürsten, den Toreros und den arbeitenden Menschen aller Klassen und Schichten, den Hafenarbeitern und Fischern, den Billetthändlern und Gemüsefrauen, den Kellnern, den Schuhputzern und den Ärmsten der Armen, die dahinvegetieren.
      Immer mehr drang ich in mein Thema ein. Nicht nur die sozialen Aspekte waren es, die mich reizten, sondern auch anderes, besonders die einzigartigen Baudenkmäler. Ich sah die Zeichnungen in der Höhle von Altamira, die lange vor unserer Zeitrechnung entstanden sind. Ihre Leuchtkraft und Modernität bewundern wir heute noch. Ich besuchte die Kathedrale von Burgos — Ausdruck des Abendlandes, die märchenhaft schöne Moschee von Cordoba, den heiligen Montserrat, den Escorial in düsterer Strenge und — welcher Gegensatz — die dem Himmel und dem Licht entgegenströmende Heiterkeit der Alhambra, in meinen Augen das schönste aller Bauwerke, das Menschenhände erschaffen haben.
      Diese Visionen versuchte ich in Skizzen festzuhalten und ins Filmische zu übertragen. Das Manuskript wurde ein Mosaik verschiedener Themen, durch die der spanische Mensch, die Kunst und Kultur dieses Landes sichtbar werden sollten. In diese Arbeit konnte ich meine Phantasien einströmen lassen. Mein Manuskript enthielt die Kapitel: Die Spatzen Gottes — Spitzen aus Valencia — Goyesca — Wald der wilden Kamele — Der Zauberer von Toledo — Orangen und Salz — Die Sünderin von Granada — Die kastilianische Königin — Das Fest von San Fermin — Carmen und Don Juan.
      Günther Rahn besuchte uns in Formentor und brachte Señor Rodino mit. Sie lasen mein Manuskript und waren begeistert. Über meine Filmprojekte erfuhr ich nichts Neues. «Alle Leute», sagte Günther, «sind noch im Urlaub, und deine Manuskripte müssen erst übersetzt werden. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen, es wird diesmal bestimmt gut ausgehen.»
      Unsere Kasse erlaubte es nicht, noch länger in Formentor zu bleiben, und da ich meine Mutter nicht so lange allein lassen wollte, beschlossen wir schweren Herzens die Heimfahrt.
      Wieder war es Mitte August. Die Quartiersorgen begannen schon in Tossa de Mar, einem Badeort an der Costa Brava. Es war hoffnungslos, auch nur ein Kämmerchen zu bekommen. Schließlich konnten wir in einer Jugendherberge auf einem überfüllten Matratzenlager übernachten. Wir wollten Tossa de Mar nicht verlassen, ohne in der herrlichen Bucht gebadet zu haben. Dadurch verspätete sich unsere Abreise, und wir kamen erst bei Einbruch der Nacht in Figueras an, einer kleinen Stadt vor der französischen Grenze. Vergebens suchten wir auch hier eine Schlafstelle. Obwohl ich nachts nicht gern über die Pyrenäen fahren wollte, blieb uns nichts anderes übrig. Hanni, die mich beim Fahren nicht ablösen konnte, hielt mich durch ihre lustigen Geschichten wach. Wir waren froh, als wir gegen Mitternacht den Paß erreichten, aber auch hier fanden wir nicht einmal ein Notquartier. Um zwei Uhr nachts kamen wir durch die französische Stadt Narbonne. Die Straßen waren menschenleer und nur schwach beleuchtet. Da sah ich vor einer noch offenen Kneipe vier Männer sitzen. Ich hielt an und ging zu der Gruppe. Mit meinem mangelhaften Schulfranzösisch versuchte ich mich verständlich zu machen. Die Männer glotzten mich an und fingen dann an zu grinsen. Mit Gesten versuchte ich auszudrücken, daß wir ein Nachtquartier suchten. In

Weitere Kostenlose Bücher