Memoiren 1945 - 1987
Tage. Alles um Cocteau war voller Poesie. In den Räumen, die er im unteren Terrain der Villa bewohnte, hatte er alle Wände bemalt, in lebhaften, aber nicht grellen Farben, vorherrschend grün in allen Schattierungen. Die Motive, Darstellungen von Pflanzen, Tieren und Göttergestalten, waren teils abstrakt, teils realistisch. Cocteau hatte sich hier seine eigene Welt geschaffen. Die reale Wirklichkeit ließ er nur ungern an sich herankommen.
«Du und ich», sagte er, «leben in einem falschen Jahrhundert.» Die Skizzen für «Friedrich und Voltaire» waren köstlich. Aber noch faszinierender war, wie er sich in beiden Masken präsentierte, als «Friedrich» und als «Voltaire». Verblüffend, mit welch geringen Mitteln er sich in diese beiden Personen verwandeln konnte. Dieser Film mit ihm hätte eine Kostbarkeit werden können. Als Andenken daran besitze ich nur noch seine Briefe, die er seit diesem Zusammensein bis zu seinem Tode mit «Friedrich-Jean-Voltaire» unterschrieb.
Abgelehnt
E s war diesmal nicht so einfach, mich wieder an das Leben in München zu gewöhnen. Große Sorgen machte mir meine Mutter, sie wurde immer schwächer. Auch erwarteten mich dort fast nur unerfreuliche Dinge, mit denen ich mich nun zu beschäftigen hatte. Dazu kam, daß das Geld immer knapper wurde.
Mit Ungeduld wartete ich auf Nachrichten aus Spanien. Endlich kam der ersehnte Brief von Señor Rodino. Sämtliche Exposés, schrieb er, wurden — ausgenommen die des Dokumentarfilms — abgelehnt. Die Gründe: «Größte Zensurbedenken, ganz besonders in religiöser Hinsicht — zu sehr mit dunkelsten Schattenseiten beladen — nicht für die spanische Mentalität geeignet». Sein Kommentar zu dem Exposé «Tanz mit dem Tod» war noch extremer. «Ein herrliches Thema», schrieb er, «einfach wunderbar. Leider Gottes aber absolut unmöglich für Spanien.» Die Zensur würde den Film nie genehmigen. Was den Dokumentarfilm betrifft, gäbe es keine Zensurprobleme, aber diese Sache schleppte sich sehr in die Länge, und «es wäre notwendig, daß Sie persönlich bei diesen Verhandlungen dabei wären.»
Ich war so bitter enttäuscht, daß ich jede Lust verlor, mich weiter mit spanischen Filmprojekten zu befassen. Was hatte man mir alles versprochen, und mit welcher Hingabe hatte ich an diesen Themen gearbeitet! Nun liegen sie seit jener Zeit unberührt in meinem Archiv.
AFRIKA
«Die grünen Hügel Afrikas»
Eines Nachts las ich Hemingways gerade erschienenes Buch «Die grünen Hügel Afrikas». Ich las bis zum frühen Morgen. Die Faszination, die Afrika auf Hemingway ausgeübt hatte, sprang auf mich über. Diese mir bisher so fremde Welt begann mich zu fesseln, und ich glaubte die Worte zu hören, die Hemingway in der ersten Nacht in Afrika in sein Tagebuch schrieb: «Als ich nachts aufwachte, lag ich lauschend da, bereits voller Sehnsucht, nach Afrika zurückzukehren.»
War diese so hinreißend beschriebene Atmosphäre nur die Vision eines Dichters, konnte man dort in Afrika freier atmen und glücklicher sein? Bald kreisten meine Gedanken immer mehr um das mir unbekannte Land. Ich entschloß mich, diese Welt kennenzulernen, mit oder ohne Filmarbeit, und begann Informationen zu sammeln, sah mir viele Bildbände an und suchte, trotz aller Enttäuschungen, wieder nach einem Filmstoff.
Da las ich in der Süddeutschen Zeitung einen Bericht, der mich elektrisierte. Unter der Überschrift: MISSIONAR DECKT SKLAVENHANDEL IN AFRIKA AUF stand, «von furchtbaren Greueltaten afrikanischer Sklavenhändler berichtet ein Memorandum, das der belgische Missionar La Gravière den zuständigen Stellen der Vereinten Nationen übermittelt hat. Dem belgischen Geistlichen gelang es, in monatelanger Detektivarbeit eine umfangreiche, illegale Organisation von Sklavenhändlern aufzudecken. Es werden jährlich noch bis zu 50 000 Schwarze verschleppt und als Sklaven an arabische Länder verkauft. Der Preis für einen gesunden, sehr starken Neger beträgt 1000 bis 2000 US-Dollar. Sie werden aber auch mit Munition oder Waffen bezahlt. So kostet eine Frau drei Gewehre, ein starker junger Mann eine Kiste Patronen, ein kräftiger Junge eine Pistole oder ein Bajonett. Bewaffnete Banden von Sklavenhändlern dringen während der Nacht in die Negerdörfer und nehmen die verschüchterten Bewohner gefangen. Noch an Ort und Stelle wird die ‹Ware› aussortiert. Kinder, alte und kranke Leute bleiben im Dorf zurück. Die Gefangenen werden mit
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