Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Memoiren 1945 - 1987

Memoiren 1945 - 1987

Titel: Memoiren 1945 - 1987 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leni Riefenstahl
Vom Netzwerk:
gerieten. Da verlangte er, daß ich ihm von mir unterzeichnete Blankoschecks aushändige, was ich selbstverständlich zurückwies. Dies muß einen Haß entzündet haben. Obgleich ich ihm nichts anmerkte, da er nach wie vor gewissenhaft seine Pflicht erfüllte, war er nur von dem Gedanken erfüllt, sich zu rächen. Das beweisen seine Briefe an Waldi Traut, die ich später zu lesen bekam. Mit unwahren Behauptungen machte er den Versuch, Traut gegen mich aufzuwiegeln. Beinahe wäre es ihm gelungen. In seinen Berichten, in die er immer giftigere Bemerkungen über mich einstreute, ließ er sich hinreißen, ihm mitzuteilen, daß alle Probleme durch mich entstehen, weil ich zuviel von ihnen verlangte. Nur wenn ich als Leiterin und Regisseurin abberufen würde, könnte der Film noch gerettet werden.
      Erschrocken schickte darauf Traut Rechtsanwalt Dr. Bayer zu uns und ließ mich nach München kommen. Er war durch die Berichte so verunsichert worden, daß er mich unbedingt sprechen wollte. Ohne den unglückseligen Autounfall hätte die «Schwarze Fracht» noch gerettet werden können.
      Traut hätte sich aus dieser schlimmen Situation, wenn er Konkurs angemeldet hätte, befreien können. Die «Stern-Film» war eine GmbH. Das wollte er nicht. Allerdings wäre dann seine Einlage von 200 000 DM, die er bis dahin in den Film investiert hatte, verloren gewesen. Er war von dem Erfolg des Projekts überzeugt und versprach den Gläubigern, alle ihre berechtigten Ansprüche zu erfüllen. Um dies zu ermöglichen, mußte er sich von seinem letzten persönlichen Besitz trennen, einem gut florierenden Café, das sich am Stachus im Haus des «Gloria-Film-Theaters» in München befand. Eine Entscheidung, die ihm ungemein schwerfallen mußte. Diese für ihn so schmerzlichen Transaktionen zogen sich solange hin, daß es sieben Monate dauerte, bis der letzte der Mitarbeiter aus Nairobi abberufen werden konnte.
      Meine berufliche Existenz schien nun endgültig vernichtet zu sein. Die Vorurteile gegen mich waren unüberwindlich. Auch mein Körper rebellierte, ich mußte in ein Krankenhaus. Dr. Westrich stellte eine Nervenerkrankung fest. Meine Hauptsorge war meine Mutter, die schon seit Wochen im Schwabinger Krankenhaus lag. Die Aufregungen hatten ihr Herz angegriffen und weitere Krankheiten ausgelöst. Wir waren nicht versichert, da wir die hohen Beiträge nicht hätten zahlen können. Bisher hatten die Ärzte auf ihr Honorar verzichtet, aber wie es dieses Mal mit den Kosten werden sollte, wußte ich nicht.
      Seit Kriegsende hatte mich jeder Strahl von Glück verlassen, das Leben war für mich ein unerträglicher Existenzkampf geworden, entstanden aus Intrigen und politischer Diskriminierung. Wenn ich nicht für meine Mutter hätte sorgen müssen, hätte ich dieses unwürdige Leben längst aufgegeben. Diese Wochen im Krankenhaus gehören zu den dunkelsten in meinem Leben. Ohne irgendwelche Hoffnungen dämmerte ich dahin. Ab und zu kam eine Schwester, die mir Medikamente und Spritzen gab, was mir Erleichterung schuf, allerdings, wie ich erst später merkte, die Gefahr einer Gewöhnung mit sich brachte.
      In diesen trostlosen Tagen erhielt ich überraschenden Besuch. Es war Curt Riess, der Journalist. Ich weiß nicht mehr, durch wen er von meinem Krankenhausaufenthalt erfahren hatte. Seitdem ich den verunglückten Versuch gemacht hatte, ihn meine Lebenserinnerungen schreiben zu lassen, hatte ich ihn nicht mehr gesehen. Ich versuchte, meine Schwäche zu verbergen. Er sprach mir Mut zu, und als er erfuhr, daß mein Freund Günther Rahn mich nach Madrid zu einem Erholungsurlaub eingeladen hatte, ich aber das Reisegeld nicht besaß, legte er mir auf den Nachttisch zwei Hundertmarkscheine. Erst später kam ich darauf, daß dies vielleicht nicht nur eine milde Gabe, sondern möglicherweise als Honoraranteil gedacht war. Er hatte, ohne mich zu informieren, fast alles, was ich ihm während unserer Spaziergänge in Seefeld erzählte, publizistisch verwertet. In seinem Buch «Das gibt’s nur einmal» habe ich es in vielen Passagen wiedergefunden.
      Diese 200 Mark waren aber eine Hilfe. Ich konnte mir dafür die Fahrkarte nach Madrid kaufen. Bei meiner Entlassung hatte mir Dr. Westrich ein Päckchen mit zwölf Ampullen überreicht, die ich mir während meines Aufenthalts in Spanien in bestimmten Zeitabständen spritzen lassen sollte. Er sagte: «Sie müssen langsam von den Spritzen, die wir Ihnen hier geben mußten, entwöhnt werden.»

Weitere Kostenlose Bücher