Memoiren 1945 - 1987
«Biennale» so sehr in den Hintergrund treten, daß ich nur bei einer Vorführung meiner Filme anwesend war, in der Sternberg neben mir saß.
«Du bist eine gute Regisseurin», flüsterte er, «aber ich wollte aus dir eine große Schauspielerin machen. C’est la vie.»
Während der Vorführung meiner Filme gab es oft Applaus — sie waren ein großer Erfolg.
Adventure-Film
N ach der Rückkehr fand ich daheim ein Chaos vor. Dringende unerledigte Angelegenheiten, Berge von Post, Telegramme und Telefonanrufe ungeduldiger Journalisten. Auf die Hilfe meiner Hanni mußte ich eine Zeitlang verzichten, sie arbeitete bei «Arri», was zugleich eine gute Lehre für sie war. Ich mußte mich nun mit jungen Mädchen vom Studentenschnelldienst begnügen. Das Schlimmste aber war, daß meine Mutter einen Schlaganfall erlitten hatte. Sie konnte mit den Aufregungen der letzten Wochen nicht mehr fertig werden.
Die Polizei war fündig geworden. Sie hatte mein Auto und die Kamera in Frankfurt/Main sichergestellt — den Wagen in einer Garage, die Kamera in einem Leihhaus. Der Gesuchte saß schon hinter Schloß und Riegel. Er hatte allerlei Hochstapeleien begangen und viele Leute geschädigt. Mit meinem Wagen war er über 10 000 Kilometer schwarzgefahren, nun war er voller Beulen und Schrammen. Trotzdem war ich froh, ihn wiederzuhaben.
Meine vordringlichste Arbeit war, zwei brauchbare Olympiakopien der englischen Sprachversion zusammenzustellen, da englische Firmen, unter ihnen auch BBC, die Filme angefordert hatten. Das war eine Chance. In England waren die Olympiafilme noch nicht gezeigt worden, der Kriegsausbruch hatte es verhindert.
Auch bei dieser Arbeit zeigten sich die großen Verluste, die in der Kopieranstalt entstanden waren. Der größte Teil der englischen Originalnegative war vernichtet, nur noch eine unvollständige Kopie war vorhanden, bei der die Tonspur teilweise zerstört war.
Mühseliges wochenlanges Arbeiten und die Hilfe der sehr kollegialen Engländer ermöglichten es, von den im Londoner Filmarchiv lagernden Olympiafilmen den englischen Ton auf Magnetbänder aufzunehmen.
Nach der guten Zusammenarbeit mit den englischen Filmleuten überraschte es mich nicht zu sehr, daß mir eine Firma, die sich «Adventure-Film» nannte, einen ungewöhnlichen Vorschlag machte. Wieder betraf es «Das blaue Licht». Die Firma bot mir für die Rechte einer Neuverfilmung die enorme Summe von 30 000 £ und
25 Prozent Gewinnbeteiligung. Das war nicht ernst zu nehmen, ein «Spinner» mußte das geschrieben haben.
Aber der «Spinner» ließ nicht nach, fast täglich kamen Briefe mit der Bitte, ihm die Rechte zu verkaufen. Ich blieb reserviert, zu oft war ich schon reingefallen. Ich mußte nur an den Ballettfilm in Paris denken, der auch wie eine Seifenblase zerplatzt war. Nun meldete sich der Engländer auch telefonisch. Die Stimme war nicht unsympathisch. «Ich heiße Philip Hudsmith», sagte er in gebrochenem Deutsch. Er bat mich dringend um eine Entscheidung. Ich wurde unsicher. Da schlug er vor, nach München zu kommen, und ich war einverstanden.
Philip Hudsmith blieb drei Tage. Er war ein gutaussehender junger Mann, groß, schlank, mit etwas schlaksigen Bewegungen. Seine blonden Haare waren meist zerzaust. Er wirkte unbekümmert und fröhlich. Wir hatten sofort einen guten Kontakt.
Temperamentvoll erzählte er, «Das blaue Licht» verfolge ihn schon von Kindheit an. Seit Jahren sei es sein Wunsch, diesen Film in neuer Gestalt wieder aufleben zu lassen. Er habe die Basis und die Finanzleute gefunden, um seinen Traum zu realisieren.
Im Schwabinger «Tröpfchen» erzählte er mir, wie in seiner Vorstellung der Film neu gemacht werden mußte. Ähnlich den Franzosen sah er die Handlung als ein getanztes Märchen, dem englischen Film «Die roten Schuhe» verwandt, der seit Jahren ein Welterfolg geworden war. Als Mitarbeiter für das Buch hatte er schon mit W. Somerset Maugham Verbindung aufgenommen, und in der Tat zeigte er mir einen Brief, in dem dieser große Autor sein Interesse an dem Projekt bekundete. Ich staunte über diese künstlerisch so hochfliegenden Pläne — dieser junge Mann mußte ein Phantast sein. Auch die Technik, mit der er arbeiten wollte, überschritt das Maß des Normalen: Der Film sollte in dem neuen 70-mm-TechniramaVerfahren aufgenommen werden. Meinen Einwand, eine so kostspielige Produktion wäre nur in Hollywood realisierbar, ließ er nicht
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