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Memoria

Memoria

Titel: Memoria Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Khoury
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gewesen. Was bedeutete, dass, wo immer wir sein mochten, Navarro wahrscheinlich ganz offen inmitten von Menschen lebte, die keine Ahnung hatten, wer er in Wirklichkeit war.
    Wir wurden durch eine stahlverstärkte Tür in einen großen Raum mit doppelt hohen Decken geführt. Er hatte kleine Fenster in etwa viereinhalb Meter Höhe, und die Wände waren mit leeren Bücherregalen aus verblichenem Holz bedeckt, die dem Raum den Anschein einer ehemaligen Bibliothek gaben. In einem einzelnen Sessel in der Mitte des Raumes saß der Mann, dessen Gesicht ich bei meiner Entführung verkehrt herum und im Dunkeln gesehen hatte.
    Raoul Navarro, ohne Zweifel.
    El Brujo.
    Endlich bekam ich den Barbaren, der hinter alldem steckte, klar und deutlich zu sehen, und ich prägte mir gewissenhaft jedes Merkmal seines Gesichts ein. Selbst wenn ich ihn in diesem Leben nicht mehr zur Strecke bringen würde – wenn es denn wahr war, was sie sagten, würde ich vielleicht irgendwann doch noch eine Chance bekommen. Wer konnte das wissen? Er war leger, aber teuer gekleidet und sah frisch geduscht aus – im krassen Gegensatz zu der Verfassung, in der ich mich befand. Er las gerade. Als wir eintraten, blickte er auf und sah uns entgegen, und als er sein Buch behutsam zuklappte, erkannte ich, dass es das Tagebuch war, das ich zum ersten Mal vor fünf Jahren in McKinnons Labor gesehen hatte.
    Navarro bemerkte meinen Blick und sagte: «Sie erinnern sich daran, nicht wahr?»
    Ich erinnerte mich, dass wir es in jener Nacht mitgenommen hatten. Ich erinnerte mich auch, wie er es sich von Corliss zurückgeholt hatte. Aber im Augenblick beschäftigte mich etwas Dringenderes.
    «Wo sind Alex und Tess?», fragte ich und wollte mich auf ihn stürzen.
    Einer der Gangster hielt mich zurück. Dabei packte er mich so grob an der Schulter, dass ein scharfer Schmerz meinen Arm durchfuhr und ich auf der Stelle stehen blieb.
    «Es geht ihnen gut», erwiderte Navarro kühl. «Warum sollte es das nicht? Sie sind schließlich diejenigen, um die es mir geht. Sie sollten sich mehr Sorgen um sich selbst machen, mein Freund. Sie sind hier derjenige, der entbehrlich ist.»
    Er musterte uns, dann senkte er den Blick kurz auf das Tagebuch. «Seltsam, wie manche Dinge sich nie wirklich verändern, auch nach all den Jahren nicht.» Er hielt es hoch. «Dieser Jesuitenpriester, Eusebio de Salvatierra … Er wollte seine Entdeckung nach Europa bringen und den Rest der Welt daran teilhaben lassen. Er wollte die Menschen wissen lassen, dass der Tod nicht das Ende ist. Aber sie haben ihn nicht gelassen.» Er fixierte mich mit einem seltsamen Blick. «Warum bilden sich die Menschen immer ein, sie hätten das Recht zu bestimmen, was andere selbst ausprobieren dürfen und was nicht?»
    Ich starrte einen Moment lang mit absichtlich ausdrucksloser Miene vor mich hin, dann tat ich, als würde ich plötzlich aus meinen Gedanken gerissen. «Entschuldigung, war die Frage rhetorisch, oder erwarten Sie eine Antwort?»
    Er schien nicht belustigt.
    «Eusebio ist geflüchtet und hat sich versteckt, er hat seine große Entdeckung nie bekannt gemacht. Er hat nur immer weiter dieses Tagebuch geschrieben, bis an sein Lebensende.» Navarro lächelte. «Ich beabsichtige, dazu beizutragen, dass sein begonnenes Werk vollendet wird.»
    «Also dazu tun Sie all das? Um dazu beizutragen, dass der Rest der Welt den Verstand verliert?»
    Er sah mich fragend an. «Den Verstand verliert? Haben Sie das hier überhaupt gelesen?»
    Ich schüttelte den Kopf, und irgendwo tief in meinem Inneren regte sich ein unbehaglicher Schauder. «Nein. Die DEA hatte es. Sie haben gesagt, dass es nutzlos ist.»
    Navarro lächelte. «Nutzlos? Vielleicht. Aber interessant … sehr interessant. Eins steht allerdings nicht darin: wie man das verdammte Zeug herstellt.»
    «Was für Zeug?», mischte sich Stephenson ein. «Was bewirkt diese Droge überhaupt?»
    «Oh, ich denke, Sie werden ihre Wirkung besser zu schätzen wissen als irgendjemand sonst, Doktor. Sehen Sie, diese Droge, dieses wundersame Gebräu, auf das Eusebio und McKinnon gestoßen sind … Es eröffnet einem den Zugang zu früheren Leben.»

Kapitel 65
    Navarros Worte hingen im Raum, in der Luft erstarrt wie Kugeln in einem Matrix-Film.
    Weder ich noch Stephenson sagten irgendetwas.
    Navarro übernahm das Reden bereitwillig selbst. «Sehen Sie? Ihre Reaktion,
amigos,
ist genau der Grund, weshalb dieser Stoff ein unglaublicher Renner sein wird, weshalb alle scharf

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