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Memoria

Memoria

Titel: Memoria Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Khoury
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helfen könnten, und wieder verschwinden.
    Ihr Atem ging flacher, als sie auf dem Weg zum Wohnzimmer den Blutspuren auswich. Drinnen fiel ihr Blick auf ein paar gerahmte Fotos auf einem Wandbord. Beinahe feierlich trat sie näher und nahm ein Bild in die Hand, das Alex mit einer brünetten Frau zeigte – offenbar Michelle, denn sie war auch auf mehreren anderen Bildern zu sehen. Tess hatte bis jetzt keine Vorstellung gehabt, wie Michelle aussah. Sie war mehr als nur attraktiv. Sie strahlte eine starke Kraft aus, etwas geradezu Magnetisches, das in ihren Augen lag und Tess aus dem Bild heraus förmlich ansprang. Der Anblick löste erneut widersprüchliche Gefühle in ihr aus, eine tief empfundene Trauer, Empathie, in die sich ein Anflug von Eifersucht mischte.
    Sie wählte zwei Bilder aus, die Alex und Michelle mit strahlenden Gesichtern zeigten, und steckte sie behutsam in einen Wäschebeutel, den sie aus dem Hotel mitgenommen hatte. Es würde Alex sicher guttun, die Bilder um sich zu haben. Während sie langsam weiter durch das Haus ging, versuchte sie, sich ein Bild davon zu machen, was für ein Mensch Michelle gewesen war und wie Alex’ Leben hier ausgesehen hatte. Sie nahm die Küche in Augenschein und betrachtete Alex’ Bilder an den Wänden und das Mosaik aus Fotos und Zeichnungen an der Kühlschranktür. Sie schaute sogar in den Kühlschrank, um zu sehen, was Michelle eingekauft hatte und woran Alex gewöhnt war.
    Während Tess den Kühlschrank wieder schloss, fiel ihr Blick durch die Glastür in den Garten hinter dem Haus, wo ihr etwas ins Auge sprang. Kleine Farbtupfer auf dem Rasen. Alex’ Spielzeug. Sie ging hinaus, und ein bittersüßes Lächeln ließ Grübchen in ihren Wangen erscheinen. Die kleinen, zehn Zentimeter großen
Ben- 10 -
Figuren, die Alex sich gewünscht hatte, lagen alle unberührt hier herum. Tess erkannte sie, weil Alex ihr die Bilder auf dem winzigen Display seines Omnitrix-Armbands gezeigt hatte. Außerdem hatte sie eine Online-Bildersuche gestartet und sich von Alex die Figuren zeigen lassen. Tess stellte sich vor, wie Alex damit gespielt hatte, als der Überfall auf das Haus stattfand, und es gab ihr einen Stich, als sie Michelle mit Alex in panischer Flucht vor sich sah. Sie schüttelte die Vorstellung ab, sammelte die Spielfiguren ein und ging wieder ins Haus.
    Tess schaute in Michelles Schlafzimmer, dann ins Arbeitszimmer, wo sie unwillkürlich die Bücherregale in Augenschein nahm und versuchte, sich anhand der Titel ein Bild von Michelle und ihren Interessen zu machen. Sie hatte viel Arbeit vor sich. Wenn Alex jetzt ein Teil ihres Lebens war, dann war sie, Tess, es ihm schuldig, seine Mutter so gut wie möglich kennenzulernen. Sie musste Mittel und Wege dazu finden, doch es wäre ein guter Anfang, sich länger mit ihren Sachen zu beschäftigen und mit Freunden und Verwandten zu sprechen.
    Aber nicht jetzt. Dazu war es noch zu früh.
    Ihr Blick wanderte zu Michelles Schreibtisch hinüber, wo, wie sie von Reilly wusste, wahrscheinlich das verschwundene Notebook gestanden hatte. Der Schreibtisch war ziemlich ordentlich, an beiden Seiten lagen aufgestapelt Papiere und Rechnungen, die Fläche in der Mitte war frei. Tess wollte sich gerade abwenden, als sie bemerkte, dass aus einem der Stapel ein Bild herausragte. Als sie die anderen Papiere herunternahm, fand sie noch mehrere von Alex’ Werken, insgesamt vier Zeichnungen.
    Tess betrachtete sie neugierig und versuchte zu erkennen, was sie darstellten.
    Das erste Bild zeigte offenbar einen Eingeborenenstamm, dunkelhäutige Gestalten und Hütten, umgeben von üppigem Grün unter einem strahlend blauen Himmel. Auf dem zweiten war eine weitere dunkelhaarige Gestalt zu sehen und darum herum anscheinend Kakteen mit roten Blüten. Das dritte stellte eine Figur dar, die über leuchtend orangefarbenen Boden ging, als stünde die Erde in Flammen.
    Das vierte Bild zeigte zwei Gestalten, auf jeder Seite des Blattes eine. Sie waren in dem komisch-surrealistischen Stil gezeichnet, den kleine Kinder an sich hatten: ein Oval für den Körper, Striche für Arme und Beine, Kreise für Hände und Füße und daran kurze Striche wie Stöckchen, die Finger und Zehen darstellten. Tess lächelte und wollte das Bild gerade wieder ablegen, als etwas sie zurückhielt. Eine der Gestalten, die auf der linken Seite, schien etwas in der Hand zu halten, das sie auf die rechte Gestalt richtete. Es war kaum erkennbar, aber es wirkte wie eine Pistole. Der Körper

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