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Memoria

Memoria

Titel: Memoria Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Khoury
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der Figur war dunkel ausgemalt. Was Tess jedoch besonders auffiel, war die rechte Gestalt. Sie war kleiner und hatte braunes Haar, große Augen und einen großen, offenen Mund, als ob sie schrie. Sie hielt ebenfalls etwas in der Hand: etwas, das wie ein winziges Strichmännchen aussah. Tess hielt die Zeichnung ins Licht, um besser sehen zu können. Die Figur hatte braunes Gekrakel am Kopf, das Haare darzustellen schien, und die Beine waren grün übermalt.
    Etwas an dem Bild schien ihr seltsam vertraut, während der Gesamteindruck irgendwie beunruhigend war. Dann begriff Tess. Mit der Zeichnung in der Hand ging sie zurück in den Flur und kramte aus dem Beutel, in den sie das Spielzeug gepackt hatte, die Ben-Figur heraus. Er war ein junger Teenager mit braunem Haar, einem weißen Hemd und einer überweiten grünen Cargohose. Tess betrachtete noch einmal die Zeichnung und war sich ziemlich sicher, dass der Gegenstand, den die rechte Gestalt in der Hand hielt, die Ben-Figur war. Was bedeutete, dass die Gestalt selbst Alex sein musste.
    Aber wenn es so war, was hatte es dann mit der größeren, dunkel gekleideten Gestalt auf sich, die möglicherweise eine Pistole auf ihn richtete?
    Tess überlief ein unbehagliches Prickeln, als ihre Vorstellung blitzschnell in alle möglichen Richtungen lief. Sie ermahnte sich selbst, sich nicht von der Umgebung und den Umständen überwältigen zu lassen, und schob die Gedanken beiseite. Alex war ein Kind, und Kinder spielten mit Spielzeugpistolen. Sie deutete zu viel in das Bild hinein.
    Sie steckte die Figur wieder in den Beutel und sammelte noch ein paar Sachen ein, über die sie und Alex gesprochen hatten: anderes Spielzeug, seinen Schlafanzug – natürlich ebenfalls im Ben-Design –, etwas Kleidung, seine Buzz-Lightyear-Zahnbürste und ein paar Bilderbücher. Die vier Zeichnungen nahm Tess ebenfalls mit.
    Eine halbe Stunde später saß sie wieder in dem Streifenwagen, der sie zum Hotel zurückbrachte.

Kapitel 17
    Es war gegen drei Uhr nachmittags, als ich mich auf dem Parkplatz vor seinem Büro am Aero Drive von Villaverde verabschiedete, in meinen treuen LaCrosse stieg und mich auf den Weg in die Innenstadt machte, um mir noch einmal Verbrecherfotos anzusehen. Villaverde hatte während der Rückfahrt aus L. A. einen der Mordermittler angerufen und ihm vorab mitgeteilt, wonach wir suchten, damit die Polizisten bis zu meinem Eintreffen Zeit hatten, sich mit der ATF zu verständigen und eine entsprechende Auswahl aus der Datenbank vorzubereiten.
    Je länger ich darüber nachdachte, desto aussichtsreicher erschien mir dieser Ansatz. Mein Gefühl sagte mir, dass wir hier auf der richtigen Spur waren. Diese Kerle waren weder Schwarze noch Latinos, und wenn man in Südkalifornien nach einem Trupp weißer Schlägertypen suchte, lag es nahe, sich unter den Bikergangs umzusehen. Mein Optimismus wuchs, auch wenn es im Staat von «One-percenters» nur so wimmelte. So nannten sich die Mitglieder der OMG s, um bei den coolen Abkürzungen zu bleiben: Outlaw Motorcycle Gangs, illegale Motorradgangs, nicht das geläufigere OMG , dem gewöhnlich vier Ausrufezeichen oder ein Smiley folgen. Die meisten trugen sogar einen « 1 %»-Aufnäher auf ihren Jacken oder Westen. Die Bezeichnung bezog sich auf ein angebliches Zitat eines rechtschaffenen Vertreters eines landesweiten Motorradvereins, der gesagt haben sollte, neunundneunzig Prozent aller Motorradfahrer seien gesetzestreue Bürger. Der fragliche Verein hatte allerdings längst dementiert, dass so etwas jemals gesagt worden war, und ich hatte den Eindruck, die Gesetzlosen selbst hatten diese Zahl aus der Luft gegriffen, um sich einen geheimnisvollen und exklusiven Touch zu geben. Angesichts der Menge von Verbrecherfotos, durch die ich mich gleich kämpfen musste, hielt ich die Bezeichnung für weit verfehlt, wenigstens in Bezug auf Südkalifornien.
    Der Weg in die Innenstadt schien nach Villaverdes Beschreibung unproblematisch, erst über die 15 nach Süden, dann auf die Route 94 in westlicher Richtung. Ich schaltete nicht einmal das Navigationssystem ein. Auf dem Freeway floss auf beiden Spuren ungehindert der spärliche Verkehr. Wenn nicht noch etwas Unerwartetes geschah, würde die Fahrt nicht länger als eine halbe Stunde dauern.
    Allerdings blieb ich auf dieser Fahrt nicht lange vom Unerwarteten verschont.
    Es erschien in Gestalt einer kastanienbraunen Limousine, in der ich zwei Männer sitzen sah. Der Wagen schien mir in verdächtig

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