Memoria
gleichmäßigem Abstand zu folgen. Nun missbrauche ich mein Amt normalerweise nicht dazu, mit überhöhter Geschwindigkeit über Freeways zu rasen, nur um meine Wäsche von der Reinigung abzuholen, aber in diesem Fall konnte ich es nicht erwarten, mein Glück noch einmal mit der Verbrecherdatenbank zu versuchen. Ich fuhr wohl etwa fünfzehn Meilen pro Stunde über dem Limit, und der Wagen – ein zehn Jahre altes japanisches Modell, vielleicht ein Mitsubishi, genau konnte ich es nicht erkennen – hielt dasselbe Tempo, blieb jedoch etwa fünf oder sechs Autolängen hinter mir zurück. Das Gute an dieser Geschwindigkeit ist, dass etwaige Verfolger es schwer haben, sich hinter einem kleinen Puffer anderer Fahrzeuge zu verstecken, so auch in diesem Fall. Natürlich ist es schon vorgekommen, dass andere Autos mir ganz harmlos gefolgt sind – die Fahrer dachten wohl, wenn eine Radarfalle käme, wäre ich das Opfer, und sie kämen ungeschoren davon –, aber hier sagte mein Gefühl etwas anderes. Seit Michelle und ich das Hotelzimmer verlassen hatten, waren meine inneren Gangster-Sensoren wohl aufs äußerste geschärft, und ich war über die Jahre gut damit gefahren, im Zweifel auf mein Gefühl zu hören.
Ich wechselte auf die rechte Spur und ging ein wenig vom Gas, und tatsächlich schienen auch meine beiden Fans es plötzlich nicht mehr so eilig zu haben, sondern folgten meinem Beispiel. Wiederum hätten manche meiner harmlosen Verfolger sich ebenso verhalten, gewöhnlich weil sie dachten, ich wisse mehr als sie und hätte einen guten Grund zu verlangsamen. Allerdings fuhren die Autos unter solchen Umständen meist dichter auf – elementare Wellentheorie, aber lassen wir das jetzt mal beiseite –, in diesem Fall jedoch blieben die Jungs zurück, sodass sich der Abstand zwischen uns nicht verringerte. Das war noch immer kein Beweis, aber etwas an diesen Typen gefiel mir nicht.
Ich beschleunigte wieder und wechselte erneut die Spur, und sie taten dasselbe.
Meine inneren Alarmglocken schrillten.
Ich fühlte einen kleinen Adrenalinstoß. Wenn jemand mich verfolgte, mussten es die Männer vom Überfallkommando sein, auch wenn mir nicht klar war, weshalb sie das tun sollten. Ich ging im Geiste rasch durch, was wir bisher über ihr Vorgehen wussten. Sie hatten ein paar Wissenschaftler entführt. Sie hatten zweimal versucht, an Michelle heranzukommen. Warum verfolgten sie mich? Michelle war tot. Ich fragte mich, ob sie auf etwas aus waren, das sie besessen hatte, etwas, wovon sie dachten, ich könnte sie hinführen. Sie hatten ihr Notebook mitgenommen – vielleicht war es ihnen nicht gelungen, das Passwort zu knacken. Aber dann fiel mir eine viel wahrscheinlichere Erklärung ein: Vielleicht wussten sie nicht, dass sie tot war. Vielleicht wussten sie nicht einmal, dass sie angeschossen worden war. In diesem Fall versuchten sie möglicherweise noch immer, sie aufzuspüren, um sich von ihr zu holen, was immer sie haben wollten. Daraus könnte sich eine Möglichkeit ergeben, sie aus ihrem Versteck zu locken. Wenn meine beiden Verfolger allerdings Männer vom Überfallkommando waren, bestand das Problem nicht mehr darin, sie aus ihrem Versteck zu locken. Sie waren hier, in Reichweite. Jetzt kam es nur noch darauf an, dass ich den Zugriff nicht verpatzte.
Inzwischen hatte ich die Abfahrt erreicht, die nach rechts auf den Martin Luther King Jr. Freeway führte. Ich bog ab. Die Limousine folgte mir.
Ich blieb auf der rechten Spur.
Nicht schwer zu erraten, was meine Verfolger taten.
Meine Gedanken eilten voraus, und ich ging im Geiste verschiedene Möglichkeiten durch. Ich war mittlerweile ziemlich sicher, dass diese Männer mich verfolgten, und wenn es so war, wollte ich sie fassen. Unbedingt. Dabei sah ich mich vor zwei unmittelbare Probleme gestellt: Erstens musste ich einen ruhigen Ort finden, um sie zu stellen. Diese Typen hatten wiederholt gezeigt, dass sie keine Hemmungen hatten, das Blut Unschuldiger zu vergießen, also würde ich nichts riskieren, wodurch Unbeteiligte in Gefahr gerieten. Diese Schwierigkeit wurde durch mein zweites Problem verschärft: Ich kannte mich in San Diego überhaupt nicht aus, und mein Navigationssystem würde dieses Problem nicht lösen. Hilfreich wäre es dennoch, und so schaltete ich es ein und rief die Karte auf. Dann zog ich mein Handy hervor und rief Villaverde an.
Ich hielt das Handy tief, außer Sicht, und schaltete die Lautsprecherfunktion ein, als Villaverde sich auch
Weitere Kostenlose Bücher