Men in Black II
sich umstimmen ließ und wann nicht. Im Augenblick zeigte er sich stur wie ein Maulesel, wozu also bei dem nutzlosen Versuch, ihn doch noch eines Besseren zu belehren, Zeit vergeuden?
Nicht dass er tatsächlich geglaubt hätte, Jay würde sich so einfach fortschicken lassen. Kays wiederhergestellte Erinnerungen sagten ihm, dass Jay einer der besten Partner war, die er je gehabt hatte, loyal, gewitzt und ehrlich, und bestimmt nicht der Typ, der ihn freiwillig im Stich lassen würde. Gut zu wissen, dass seine Erinnerung ihn nicht getrogen hatte.
Er öffnete das Schließfach.
Ein typisches Schließfach in einem Bahnhof bietet bequem Platz für: eine Sporttasche, einen Aktenkoffer, eine kleinere Reisetasche und einen Haufen Einkaufstüten. Natürlich waren Schließfächer auch schon zu ruchloseren Zwecken missbraucht und mit weit gefährlicheren Objekten bestückt worden, was auch der Grund für den derzeitigen Mangel an solchen Fächern in der Grand Central Station war. Jay war sich dessen vollends bewusst. Was auch immer sich in diesem Schließfach befand, es konnte ebenso gut das Rätselraten um das Licht von Zartha beenden wie das Leben der Agenten Jay und Kay. Er hatte von Anfang an gewusst, dass dies ein gefährlicher Job war. Also machte er sich auf das Schlimmste gefasst, während er im Stillen hoffte, dass sie nicht mehr zu sehen bekommen würden als eine große braune Tüte von Bloomingdale’s.
Die Tür öffnete sich, doch in dem Fach war keine Einkaufstüte.
In dem Fach war eine ganze Welt.
Von seinem Standort aus konnte Jay eine unglaublich kleine Miniaturlandschaft erkennen, bevölkert von winzigen Aliens, die nun in das blendend helle Licht blinzelten, das durch die geöffnete Tür in ihr Leben strömte. Diese Außerirdischen gehörten zu einer pelzig-flaumigen, freundlich blickenden Spezies mit großen, untertassenförmigen goldenen Augen, die von innen heraus zu glühen schienen. Das mussten sie wohl auch, wenn die winzigen Kreaturen in der Dunkelheit eines verschlossenen Schließfaches leben und sich zurechtfinden wollten, ohne dabei ständig gegen irgendwelche Hindernisse zu rennen. Vielleicht dienten die zierlichen Fühler auf ihren Köpfen dazu, sich in der Finsternis ihrer Welt zu orientieren. Vielleicht auch nicht.
Jay hatte längst erkannt, dass es nicht immer einen Grund für das sonderbare Aussehen Außerirdischer gab. Es war dieselbe Erkenntnis, zu der er bereits damals gekommen war, als er noch bereit gewesen war, sich auf Blind Dates einzulassen.
Diese außerirdischen Schließfachbewohner erinnerten ihn an Kreaturen, die er einmal im Zoo in der Bronx gesehen hatte: Lemuren. Genau, sie sahen aus wie Lemuren, allerdings nur im Gesicht. Ihre Körperform war eine andere Geschichte. Diese Wesen standen aufrecht. Erinnerungen an eine alte Ausgabe von National Geographic flackerten durch seinen Kopf. Dort war eine ganze Kolonie Erdmännchen in der afrikanischen Steppe abgebildet gewesen, wieselähnliche Kreaturen, die samt und sonders auf den Hinterbeinen standen und aufmerksam nach Raubtieren Ausschau hielten.
Die Schließfachbewohner brauchten derartige Gefahren nicht zu fürchten. Dies war keine afrikanische Steppe, ganz und gar nicht. Im Vordergrund breitete sich eine große, blühende Stadt aus, hinter der sich die Landschaft bis in die tiefsten Tiefen des Schließfaches erstreckte. Gleichermaßen neugierig und fasziniert, hätte er Kay am liebsten sanft – oder auch unsanft, die Sache mit dem Kaffee war noch nicht ausgestanden – zur Seite geschoben, um einen besseren Blick auf die Szenerie zu haben. Er bekam keine Gelegenheit dazu, zumindest nicht sofort. Kay stellte sich mitten vor dem Schließfach auf, sodass ihn die kleinen Außerirdischen, umrahmt von dem goldenen Licht der Grand Central Station, in seiner ganzen Pracht bewundern konnten.
Und siehe, es erhob sich ein großes Jubelgeschrei in der Menge. »Kay! Er ist wieder da! Der Lebensspender! Gelobt sei Kay! Gelobt sei Kay!«
Jay verzog das Gesicht. »Sind Sie der Mann, der König in einem Bahnhofsschließfach sein wollte?«, fragte er seinen Partner.
Kay antwortete nicht. Der Lebensspender lauschte aufmerksam den Gesuchen seiner frömmsten Anhänger.
»Habt Ihr uns Nahrung gebracht, gnädiger Kay?«, kreischten sie, ohne dabei den Respekt zu vergessen.
Kay runzelte die Stirn. Dann improvisierte er, fischte einen halb gegessenen Snickers-Riegel aus einem Abfallkorb und legte ihn ins Zentrum der außerirdischen Stadt,
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