Men in Black II
verhelfen. Dem Beschluss war eine große Reinigungsaktion samt nachfolgender Luxussanierung und der zugehörigen Vertreibung gewisser Personenkreise von sozial niedrigerem Rang gefolgt. Die Finanzierung wurde gesichert, Handwerker verpflichtet. Die hohe Gewölbedecke wurde vorsichtig gesäubert, und unter dem Schmutz vieler Jahre kam ein strahlend türkisfarbener Himmel mit goldenen Darstellungen der Sternbilder zum Vorschein, die bei Dunkelheit leuchteten.
Diese Entdeckung war eine Überraschung – nein, eigentlich ein Schock – für alle Beteiligten, von den einfachen Arbeitern, die das Kunstwerk entdeckt hatten, bis hin zu den Behörden, die diese Sanierung auf den Weg gebracht hatten. Irgendjemand verglich diesen Fund sogar mit den prähistorischen Höhlenzeichnungen von Altamira und der Öffnung des Grabes König Tutanchamuns.
Das ist eine der herausragenden Besonderheiten New York Citys: Niemand weiß wirklich, was ihn erwartet, wenn er erst einmal angefangen hat, genau hinzusehen.
Im unteren Teil der Bahnhofshalle wurde ein Einkaufszentrum eingerichtet, in dem diverse Einzelhändler eine Vielzahl verschiedener Leckereien feilbieten – japanisch und indisch, Kaviar und Kekse, Käsekuchen und Tortillas –, zu dem auch ein gastronomischer Bereich gehört, dessen Kunststofftische aufgedruckte Collagen aus Tickets und Reiseandenken aus der ersten Blütezeit des Bahnhofs zieren.
Ein Supermarkt im europäischen Stil bietet alles, was Einheimische und Pendler brauchen, um sich ihre eigenen Mahlzeiten zuzubereiten – Käse, Fleisch, Fisch und die zugehörigen Erzeugnisse, Kuchen und Torten, so verlockend, dass die diätbewussten New Yorker eilends vorüberzuhasten pflegen und nicht wagen, diese Köstlichkeiten auch nur anzusehen. Andere Geschäfte bieten alles von Papierwaren über Duftlampen bis hin zu PVC-Jacken an. Wer heutzutage die Grand Central Station betritt, kann ein Zugticket nach Poughkeepsie ebenso leicht erstehen wie eine Zeitschrift aus Paris, Olivenöl aus der Toskana, eine Krawatte aus Mailand und Corned Beef aus Brooklyn.
Was man nicht finden wird, ist ein Schließfach zur Gepäckaufbewahrung. Nicht mehr, und jeder weiß, warum. So traurig es ist, die Welt verändert sich. Und so schleppen sich die Besucher mit ihren schweren Handkoffern ab und heben sich mit all ihren Einkaufstüten einen Bruch. Sehen Sie sich ruhig um, Sie werden kein Schließfach finden, auch wenn Ihr Leben davon abhängt.
Es sei denn, Sie wissen, wo Sie suchen müssen.
Es sei denn, Sie wissen zufällig, dass die Grand Central Station auch als Grand Central Terminal bekannt ist, als Kopfbahnhof und in früheren Zeiten auch ganz bescheiden als Tor Amerikas. Q.E.D.
Kay wusste dies alles, und aus diesem Grund war er auch imstande, Jay direkt zu dem Schließfach mit der Bezeichnung C-18 zu führen, irgendwo innerhalb der Grand Central Station, jedoch abseits der ausgetretenen Pfade.
Weit abseits.
»Warum sind wir …?«, setzte Jay zu einer Frage an.
Kay winkte lediglich mit dem Schlüssel und zeigte ihm die drei eingravierten Zeichen.
»Sie wollen mich doch nicht bei der Arbeit stören, oder, Frischling?«, spottete er.
»Stören? Sie?« Allmählich wurde Jay ein bisschen wütend. »Wessen Gehirn läuft denn hier mit veralteter Software?«
Kay tat, als hätte Jay kein Wort gesagt. Statt einer Antwort drückte er ihm etwas Geld in die Hand und sagte: »Warum besorgen Sie uns nicht etwas Kaffee, während ich das hier erledige?«
Die Erinnerung, wie Kay dieselbe Methode angewandt hatte, um sich des kriecherischen Anfängers, Agent Gee, zu entledigen, knisterte rot glühend in Jays Innerem, also sah er sich ganz gelassen um und entgegnete: »Oh, tut mir Leid, ich dachte, Sie reden mit Hop Sing.«
Kay gab die gönnerhafte Rolle des Seniorpartners auf. »Passen Sie auf«, sagte er mit stählernem Blick. »Ich habe keine Ahnung, was da drin ist, und ich möchte nicht, dass Ihnen was passiert, also bleiben Sie zurück.«
Jay ließ sich ebenso ungern beschützen wie herabwürdigen. Ehe er zu den MIB gestoßen war, war er Polizist in New-York City gewesen. Sein Motto hatte stets gelautet, zu schützen und zu dienen, nicht, beschützt und bedient zu werden. Daran hatte sich nichts geändert.
»Wie weit darf’s denn sein?«, erkundigte er sich. »Bis zum Coffeeshop? Machen Sie schon das verdammte Schließfach auf.« Ungerührt hielt er Kays Blick stand.
Kay kannte Jay lange genug, zu wissen, wann der jüngere Agent
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