Menetekel
sagte Gracie: «Vermutlich sind Sie froh, dass Sie schließlich doch noch mit Pater Hieronymus sprechen durften, hm?»
Willoughby klang verwirrt. «Wie meinen Sie das?»
«Nun, wenn Sie nicht insistiert hätten oder das Kloster die Zustimmung verweigert hätte … Wer weiß, was dann geschehen wäre. Ohne Ihre Aufnahmen wären wir vielleicht gar nicht nach Ägypten geflogen.»
Willoughby verstand nicht. «Worüber reden Sie? Die kamen doch auf uns zu.»
Gracie war wie vor den Kopf geschlagen. Sie versteifte sich. «Wie bitte?»
«Die kamen auf uns zu. Ich meine, ja, wir waren schon dort und haben gedreht. Aber wir waren nicht hinter Pater Hieronymus her. Wir wussten ja nicht einmal, dass er dort war.»
Gracie konnte das mit ihrem bisherigen Kenntnisstandnicht in Einklang bringen. «Und wie kam es, dass Sie ihn getroffen haben?»
«Tja, das war wohl ein äußerst glücklicher Zufall, würde ich sagen. Wir wollten eigentlich schon zum Katharinenkloster im Sinai weiter. Das Kloster der Syrer hatten wir nicht eingeplant. Wir waren in Pischoi, wissen Sie, dem anderen Kloster in der Nähe?»
«Ja, das kenne ich.»
«Nun, Pischois Geschichte, das ganze Zeug mit seinen an die Kuppel gebundenen Haaren, damit er nicht einschläft. Das sind die kleinen, skurrilen Details, die solchen Dokus ein bisschen Würze geben. Und während wir dort waren, kauften wir in einem kleinen Geschäft Vorräte ein und stießen auf diesen Mönch vom Kloster der Syrer. Wir kamen ins Gespräch, und er erzählte uns, dass Pater Hieronymus dort oben in einer Höhle wohnte und sich ziemlich seltsam verhielt. Als ob er besessen wäre, aber auf gute Art. Für uns war das perfektes Timing.»
«Warten Sie mal. Ich dachte, alle wussten, dass Pater Hieronymus dort war.»
«Das wusste keiner.»
«Wir haben es überprüft», widersprach Gracie. «Es war bekannt.»
«Natürlich war es das – nach unserer Doku. Das hat sich erst danach herumgesprochen. Bevor wir dort hinkamen und uns unseren Teil vom Kuchen holten, wusste niemand, dass er in Ägypten war. Es hieß, er hätte sich ein ‹Sabbatjahr› genommen. Niemand wollte verraten, wo er steckte. Wir dachten irgendwann, er wäre längst tot. Wenn man sichdas alles mal durch den Kopf gehen lässt, hat der Zufall ganz schön seine Hand im Spiel gehabt.»
«Wie meinen Sie das?»
«Nun, wir haben uns eigentlich nur wegen unserem Redakteur bei der BBC mit dem Mönch getroffen. Darüber bin ich wirklich heilfroh.»
«Dafür, dass die Ihnen grünes Licht gegeben haben?»
«Nein, dafür, dass sie das bei uns in Auftrag gegeben haben», sagte Willoughby vergnügt. «Es war deren Idee. Die haben es vorgeschlagen.»
Der Druck in Gracies Schläfen stieg. «Donnerwetter. Um das nochmal klarzustellen: Sie wurden dort hingeschickt? Es war nicht Ihre Idee?»
«Nein.»
«Wie genau kam es dann zu der Sendung? Erzählen Sie mir die ganze Geschichte.»
«Sie wissen ja, wie das läuft», sagte der Engländer. «Wir schlagen Ideen vor. Dokus, die wir gern machen würden. Das geht so lange, bis etwas passt. Wir einigen uns auf ein Budget und einen Zeitplan, und los geht’s. Hier lief das anders. Wir spielten mit verschiedenen Ideen herum. Ich wollte eigentlich etwas über den merkwürdigen und eher sadistischen Reiz von Endzeitpredigten in unserem Land machen. Sie wissen schon, diese Verrückten, die den Weltuntergang verkünden. Aber dann schlug der Redakteur einen Dreiteiler vor, für den bereits amerikanische Partner bereitstanden, und so haben wir stattdessen das gemacht. Ein Vergleich der spirituellen Ansätze in der östlichen und der westlichen Welt. Das war zwar nicht das gleiche Thema, aberes passte trotzdem ganz gut, und sie stellten uns ein ordentliches Budget zur Verfügung.» Er machte eine Pause. «Wenn ich auch mal eine Frage stellen darf, Miss Logan, warum wollen Sie das alles wissen?»
Gracie ging instinktiv in die Defensive. Obwohl diese Informationen ihr ganz und gar nicht behagten, sagte ihr eine kleine innere Stimme, dass sie nicht preisgeben durfte, was sie hier aufdeckte. «Ach, nur so», log sie. «Ich bin nur dabei … Ich glaube, ich versuche nur, besser zu verstehen, was da draußen passiert ist. Warum Finch gestorben ist.» Sie fühlte sich schrecklich, weil sie seinen Tod vorschob, und hoffte, Finch würde ihr vergeben. «Nur eine Sache noch. Der Mönch, der Ihnen von Pater Hieronymus erzählt hat. Erinnern Sie sich an seinen Namen?»
«Natürlich. Das war ein ziemlich
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